Thomas Engst

Im heutigen Artpotrait geht es um eine wahre Seltenheit unter den krautigen Pflanzen. Früher noch in Hülle und Fülle in der Landschaft, vor allem in Äckern, zu sehen, ist die Kornrade in ganz Deutschland gefährdet. In Sachsen sogar ausgestorben und in Sachsen-Anhalt vom Aussterben bedroht. Die Kornrade ist winterannueller, überwinternd grüner, skleromorpher, mesomorpher Therophyt. Als Ackerunkraut im Getreide ist sie ideal an ihren Standort angepasst. Die laubigen Kelchblätter ragen mit den Blüten aus dem Getreide heraus und werden zur Photosynthese benutzt. Die Samen werden meist erst beim Dreschen frei. Die Art wurzelt bis zu 85 Zentimeter tief. Die Kornrade gilt als ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet. Sie ist nach anderen Autoren in Europa, in den gemäßigten Zonen Asiens und in Nordafrika beheimatet. In Nord- und Südamerika, in Australien, auf den Kanaren und im südlichen Afrika ist die Kornrade ein Neophyt.

Blütenökologisch handelt es sich bei Agrostemma githago um „Stieltellerblumen“, das ist auch auf dem folgenden Bild sehr gut zu erkennen. Die Kornrade ist also gynodiözisch: die Blüten sind meist zwittrig, aber auch rein weibliche Exemplare kommen vor. Für die Bestäuber ist die A. githago besonders interessant. Oftmals werden ihre markanten und großen Blüten von Bienen, Hummeln und Tagfaltern regelrecht belagert. Wie aber kommt es nun, dass diese einstmals so häufige Art in Deutschland nahezu ausgestorben ist? Die Ausbreitung der Samen ist stark menschenabhängig. Wegen der oben verengten Kapseln werden die großen Samen oft erst freigesetzt, wenn die Wand verwittert oder beim Dreschen zerstört wird. Vor Einführung moderner Methoden der Saatgewinnung konnten die Samen wegen ähnlicher Größe kaum vom Getreide getrennt werden und wurden deshalb wieder ausgesät. Als Ausnahme wurden in Hessen Kapseln gefunden, die sich zur Fruchtreife öffnen.

Die Kornrade (Agrostemma githago).

Die Kornrade ist auf Ausbreitung mit Saatgut angewiesen. Durch moderne Saatgutreinigung (Trieur) ist die Ausbreitungskette unterbrochen worden und ihre Bestände sehr stark eingebrochen. Zentral-europaweit wird die Kornrade als ungefährdet eingestuft. Alle Pflanzenteile sind stark giftig (Hauptwirkstoffe sind Saponine wie Githagin und dessen Aglycon Githagenin, daneben Agrostemmasäure). Von den Samen gelten schon drei bis fünf Gramm als giftig. Durch die Giftigkeit der Samen war die Kornrade lange Zeit ein „gefürchtetes Ackerunkraut“, weil die Reinigung des Getreides nur mangelhaft war. Heute ist eine Vergiftung sehr selten; außerdem ist die Kornrade durch moderne Saatgutaufbereitung als Ackerunkraut fast ausgerottet.