Thomas Engst

Botanische Schätze sind nicht immer farbenfroh und stehen auch nicht zwangsläufig auf bunten Wiesen oder in Naturschutzgebieten. Viele von ihnen wachsen an Stellen, die auf den ersten Blick als ungeeignet erscheinen. Eine solche Art ist bspw. Asplenium ruta-muraria, die Mauerraute. Für diese Farnpflanze sind u.a. Mauerritzen und -fugen sowie alte Bausubstanz das Paradies auf Erden. Ein Paradies, welches zu schwinden droht.

A. ruta-muraria ist ein kleiner immergrüner Farn, dessen Blätter um die 3–10(–15) Zentimeter lang werden können. Die Blätter sind zwei- bis dreifach gefiedert und im Umriss unregelmäßig dreieckig bis oval. Die namensgebenden Fiedern sind dabei rautenförmig, am Grund keilig verschmälert und vorne gekerbt bis eingeschnitten und etwa 2 bis 3 mm lang. Die Blattstiele sind ebenso wie die Oberseite der Blattspreite grün. Sind die Sori reif, so bedecken sie die ganze Unterseite der Fiederchen. Ich hoffe, das ist gut auf dem nachfolgenden Bild zu erkennen.

Asplenium ruta-muraria

Wie für Farnpflanzen nicht ungewöhnlich, kann auch A. ruta-muraria einige Zeit Trockenheit aushalten, Grund dafür sind die am Blattstiel vorhandenen Drüsen sowie das Rhizom der Pflanze.

Die Befruchtung wird durch einen Wassertropfen auf der Unterseite des Prothalliums vermittelt und klingt durchaus etwas kompliziert. Die Spermatozoiden werden dabei von den Eizellen chemisch angelockt. Die Vorkeime sind etwa linsengroß und wachsen in feuchten Nischen. Im Anschluss an die Befruchtung entwickeln sich die Sporophyten. Diese dienen sowohl der Photosynthese als auch der Vermehrung. Die Sporenbildung erfolgt hier fast ganzjährig. Die Sporangien sind in langen Streifen auf der Unterseite der Wedel, entlang der Leitbündel angeordnet, und sie werden von einem durchscheinenden Indusium bedeckt. Die Sporangien sind Selbstausstreuer mit Kohäsionsmechanismus. Die Sporen werden durch den Wind als Körnchenflieger ausgebreitet. Die Mauerraute ist in allen gemäßigten Gebieten der Nordhemisphäre verbreitet. Ursprünglich wuchs sie in Felsritzen in den Gebirgen und Mittelgebirgen. Dabei toleriert sie sowohl kalkhaltige wie saure Gesteine. Allerdings zieht sie kalkhaltige und nährstoffreiche Standorte vor. Wegen dieser Standortvorlieben findet man die Mauerraute auch sehr häufig in Mauerfugen, und zwar bis in die Innenstädte. Leider werden Gebäude wie Schlösser, Kirchen stetig saniert und Mauerfugen neu verputzt, sodass die für Asplenium ruta-muraria notwendigen Ritzen nach und nach aus dem Stadtbild verschwinden. Damit geht auch der benötigte Lebensraum und somit schwindet auch diese Art aus den Städten. Aktuell suche ich sämtliche Kirchen, Schlösser und Dörfer in Sachsen-Anhalt nach Pflanzenarten ab, die auf die genannten Biotope angewiesen sind. Viel zu leicht gerät eine noch oft vorhandene Art aus dem Fokus der Botaniker und ehe man sich versieht, ist sie ebenfalls selten und gefährdet. Dies möchte ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten verhindern.

Asplenium ruta-muraria an einer Kirchenwand.