Thomas Engst

Durch die milden Temperaturen bedingt, nimmt die diesjährige Blühsaison langsam aber sicher Fahrt auf. Zu den ersten Frühblühern des Jahres zählt zweifelsohne auch das Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) und dürfte sich über die Jahre zum wohl markantesten Frühlingsblümchen gemausert haben. Schauen wir uns diese Art, welche schon jetzt in voller Blüte steht, im heutigen Artportrait mal genauer an.

Galanthus nivalis ist eine ausdauerndekrautige Pflanze, die Wuchshöhen von meist 7 bis 15 Zentimeter erreicht und eine Zwiebel als Überdauerungsorgan besitzt. Es handelt sich also um einen sogenannten Geophyten. Die Blüten stehen einzeln, nickend am Blütenstandsschaft. Die Einzelblüte ist aus einem reduzierten trugdoldigen Blütenstand abzuleiten. Es ist eine verwachsene, weißhäutige Hochblattscheide vorhanden, die aus der Verwachsung zweier Hochblätter entstanden (als Spatha bezeichnet) und eine Länge von 2 bis 3,5 Zentimeter aufweist. Der Blütenstiel ist 1,2 bis 3 (bis 4) Zentimeter lang. G. nivalis ist eine typische Frühjahrspflanze, bei der sogar die Blüten frosthart sind. Die Blätter dieses Zwiebel-Geophyten ziehen frühzeitig ein und sind deshalb schon im Frühsommer verschwunden. Die markante weiße Blütenfarbe entsteht durch Lufteinschlüsse zwischen den Zellen. Die inneren Blütenhüllblätter duften stärker als die äußeren und dienen so der Orientierung der Bestäuber. Der Pollen rieselt auf die sich anklammernden Bienen und Falter herab. Wegen ihrer starken UV-Reflexion heben sich die Blüten auch bei Schnee für die Besucher deutlich vom Hintergrund ab. Bestäuber sind vor allem Honigbienen, die besonders am Pollen interessiert sind, sowie Schmetterlinge. Vor dem Verblühen erfolgt Selbstbestäubung. Die Samen besitzen ein gekrümmtes Anhängsel (Elaiosom), welches der Ausbreitung durch Ameisen dient (Myrmekochorie). Als spezielle Anpassung an diese Form der Ausbreitung sinken die erschlaffenden Fruchtstandsschäfte zu Boden. So schön die Art G. vivalis  auch aussehen mag, so ist sie doch Vorsicht walten zu lassen. Grund dafür ist ihre Giftigkeit. Die Hauptmenge der Giftstoffe ist in den Zwiebeln enthalten. Dort sind zu 0,09 % Alkaloide vorhanden, wie Galanthamin und Lycorin.

Galanthus nivalis

Das Kleine Schneeglöckchen ist in Europa weit verbreitet, so kommt die Art in Frankreich, Italien, auf dem Balkan, in Österreich und der Schweiz, in Südwestdeutschland, in Südpolen und in der Westukraine in Laubwäldern in Höhenlagen von meist 300 bis 600 (100 bis 1400) Meter vor. Es ist bevorzugt auf Kalk zu finden. Im nördlichen Mitteleuropa und in Nordamerika wurde diese Art eingebürgert. G. nivalis gedeiht gern gesellig in Auenwäldern und feuchten Laubmischwäldern auf sickerfeuchten, nährstoffreichen, mild-mäßig sauren, humosen, tiefgründigen, lockeren Ton- und Lehmböden. Ebenfalls ist das Kleine Schneeglöckchen eine äußerst beliebte Zierpflanze und aus vielen Gärten und Parks nicht mehr wegzudenken. Verwilderte Formen gibt es u.a. in alten Obstgärten oder Kirchengeländen und bieten Bestäubern die wohl erste und dringendst benötigte Nahrung des Jahres.

Galanthus nivalis