Thomas Engst

Auf meinen Streifzügen durch Feld und Flur komme ich immer wieder an einer Stelle vorbei, an der ein imposanter Schilfgürtel die Ufer eines Flusses säumt. Heute fiel mir aber eine Sache ins Auge, die im Naturschutz nicht ganz unproblematisch ist. Nämlich die Ausbreitung des Schilfrohrs (Phragmites australis).

Die vegetative Vermehrung erfolgt in starkem Maße durch die bis zu 20 Meter langen Ausläufer sowie durch niederliegende, sich an den Knoten bewurzelnde Halme (Legehalme). Ganze „Schilfbestände“ stellen oft nur eine einzelne Pflanze dar. Im Donaudelta fand man Pflanzen, deren Alter auf ca. 8000 Jahre geschätzt wurde. Große Schilfbestände bieten zahlreichen Vögeln Schutz. Bei Nährstoffüberschuss verdrängt das Schilfrohr jedoch die übrige Ufervegetation. Bei allzu starkem Nährstoffeintrag bricht die Population allerdings auch wieder zusammen und wird beispielsweise von Eutrophierungszeigern wie dem Großen Wasserschwaden (Glyceria maxima) ersetzt. Will man aktiv zur Vermehrung von Schilfbeständen beitragen, muss man im Sommer Halmstücke mit 1–3 Knoten abschneiden und diese in wenige Zentimeter tiefe Rinnen im Uferbereich eingraben. Nach einigen Wochen bewurzeln sich die Stängelknoten, und es bilden sich Tochtersprosse aus.

Ausläufer von Phragmites australis, die in einen anderen Lebensraum vordringen.

Schilf bildet an Seen und Gräben natürliche Monokulturbestände. Sind Wasserversorgung und Nährstoffangebot günstig, verdrängt er durch seine Dominanz andere Wildkräuter und Gräser. In den oft riesige Flächen bedeckenden „natürlichen Monokulturen“ des Schilfrohrs regulieren sich tierische Schädlinge selbst: Die Raupen der Schilfeule (Nonagria typhae) klettern fressend in den Internodien nach oben und zerstören auch den Vegetationskegel an der Spitze. Wegen der damit verbundenen Ausdünnung des Bestandes werden in den Folgejahren zahlreiche dünne Halme gebildet, so dass die Schilfeulenpopulation an diesen Stellen zugrunde geht. An der von mir besuchten Stelle stellt die Ausbreitungsfreude von Ph. australis kein Problem dar. Bei naturschutzfachlich  wertvollen Biotopen sieht das anders aus. Hier muss eine kontinuierliche Pflege der Schilfbestände erfolgen. Nicht selten zum Verdruss der Ornithologen, tummeln sich doch viele Wasservögel bzw. Bodenbrüter in den teilweise undurchdringlichen Halmen. Solche internen Zielkonflikte sind im Naturschutz nicht selten und erfordern äußerste Kompromissbereitschaft aller Parteien.

Das Schilfrohr (Phragmites australis) breitet sich durch unterirdische Ausläufer äußerst schnell aus…

…und dringt dadurch in andere Lebensräume ein.

Schilfrohr kann bis zu 4 Meter groß werden und undurchdringliche Mauern bilden. Zum Vergleich, ich bin knapp 2 Meter groß.