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Thüringen hat einiges an naturschutzfachlich wertvollen Biotopen zu bieten. Die Naturräume im Freistaat sind unglaublich vielfältig und artenreich. Viele meiner Kollegen pilgern regelrecht in das südlich von Sachsen-Anhalt angrenzende Bundesland um bspw. die Trockenrasen der Bottendorfer Hügel oder im Thüringer Wald die Bergwiesen zu bestaunen. Ein solches Juwel sieht sich derzeit einer argen Bedrohung gegenüber und ist auf den Rückhalt der Bevölkerung angewiesen. Die Rede ist von Thüringens artenreichster Wiese nahe Oberhof im Thüringer Wald.
Die Schuderbachswiese ist mit 5,8 ha eine der größten Bergwiesen in Thüringen und seit den 1990ern ein ausgewiesenes Flächennaturdenkmal. Die Besonderheit der Wiese ist ihre Ausstattung an Arten und Lebensraumtypen. So sind neben einigen Rote-Liste-Arten vor allem die thüringenweit größten Populationen an Bergwohlverleih (Arnika montana), mehr als 10.000 Exemplare (!), und der Grünen Hohlzunge (Coeloglossum viride), in diesem Jahr über 600 Exemplare, zu finden. Des Weiteren ist die Fläche zu 97% von FFH-Lebensraumtypen in bedeckt, allem voran die Berg-Mähwiesen und Borstgrasrasen. Das wurde 2016 von der Umweltfachbehörde in einem Gutachten festgestellt. Der dortige Arbeitskreis Heimische Orchideen e.V. führt seit vielen Jahren auf der Schuderbachswiese ein Orchideenmonitoring durch, welches belegt, dass der Hohlzungen-Bestand kontinuierlich zunimmt. Diese wunderbar ausgestatte Wiese ist in ihrer momentan Ausprägung vor allem der jährlichen (Mahd-)Pflege durch viele Ehrenamtliche zu verdanken und stellt für Oberhof ein landschaftliches Alleinstellungsmerkmal dar.
Soweit zur aktuellen Situation der Fläche auf der alles so schön sein könnte, wenn man ihren naturschutzfachlichen Wert anerkennen und schätzen würde. Leider ist das aktuell nicht bei allen Leuten in Thüringen so, woraus sich folgende problematische Situation ergibt:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich auf der heutigen Schuderbachwiese ein Golfplatz des sogenannten „Herzoglichen Golfclubs Oberhof“. Bis in die 1950er wurde dort Golf gespielt. Zu DDR-Zeiten wurde die Golf-Nutzung untersagt und dann auf der Fläche dann sporadisch beweidet oder gemäht. Seit 1990 wird die Wiese naturschutzfachlich gepflegt und während der Wintermonate für Skischulunterricht genutzt, was der Fläche nicht schadet. So hat sich eine der wenigen Thüringer Bergwiesen entwickelt.
Im letzten Jahrzehnt wurde besagter Golfclub erneut gegründet, mit dem Ziel, den Golfplatz erneut zu bauen und zu nutzen. Da Oberhof auf Grund des Klimawandels mittlerweile nicht mehr als schneesicher gilt, ist man verständlicherweise bemüht, den Wintersportort für den Ganzjahrestourismus attraktiv zu machen. Ausgerechnet mit einem Golfplatz auf einer derart für die Biodiversität wichtigen Fläche.
Klar, nach der Verkündung der Pläne regt sich Widerstand und Teile der Bevölkerung äußern ihren Unmut ob dieses Vorhabens. Ein Golfplatz als Rettungsanker für den schwächelnden und nicht zukunftssicheren Wintersport zu etablieren scheint vielen Bürgerinnen und Bürgern sehr schwachsinnig. Ein paar der Gründe, die jeder Besucher, der schon mal in der Region um Oberhof war, nachvollziehen kann sind u.a.
- Golf ist kein Breitensport, Naturtourismus hingegen begeistert viele Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft
- In Oberhof sind höchstens 90 Tage im Jahr Sonnentage, sonst dominieren dort Wind, Regen und vor allem Nebel
- Die Fläche liegt im Trinkwasserschutzgebiet
- Der nächste bereits gut ausgebaute Golfplatz ist gerade einmal 35 km von Oberhof entfernt und hervorragend an die A4 angebunden
Leider hat der geplante Golfplatz auf der Schuderbachwiese einen prominenten Fürsprecher. Niemand geringeres als Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) setzt sich für das geplante Vorhaben ein. Angesichts seiner Parteizugehörigkeit ist das für mich ein absolutes Unding. Als Folge dessen wurde am 27. Mai 2019 beim Petitionsausschuss des Thüringer Landtages eine Petition gestartet, welche die Errichtung eines Golfplatzes auf der Schuderbachswiese verhindern soll.
Die Sammlung der Unterschriften läuft noch eine Woche. In den letzten Tagen wurde die 1.500-Unterschriften-Marke geknackt, was bedeutet, dass eine Öffentliche Anhörung zu der ganzen Sache stattfinden soll. Schon im Vorfeld dieser Petition wurden deutschlandweit über 4.300 Unterschriften für den Erhalt der Schuderbachswiese gesammelt und dem Petitionsausschuss übergeben.
Darüber hinaus verabschiedeten die Thüringer Landesverbände des NABU, AHO und BUND im letzten Jahr eine gemeinsame Resolution für den Schutz der Schuderbachswiese.
Ich möchte euch an dieser Stelle nicht dazu überreden, die noch bis Montag laufende Petition zu unterzeichnen. Ihr würdet mir aber einen großen Gefallen erweisen, wenn ihr euch dazu Gedanken machen und ein Zeichen für den Artenschutz setzen würdet. Gerade in Zeiten eines anhaltenden Insektensterbens sowie eines voranschreitenden Verlustes von Lebensräumen und Habitaten darf so ein Kleinod wie die Schuderbachwiese nicht verschwinden. Angesichts der Tatsache, dass Thüringen eine grüne Umweltministerin hat, sollte sich so eine vertrackte Situation gar nicht einstellen dürfen.
9. Juli 2019 um 7:27 am Uhr
Moin Thomas,
mal ein paar Anmerkungen zu den von dir aufgeführten Argumenten gegen die Nutzung der Wiese für einen Golfplatz:
1. Breitensport- was macht die sportliche Nutzung bei einem Flächennaturdenkmal für einen Unterschied? Sollen lieber Hunderte Wanderer über die Wiese trampeln?
2. Wetter- wie beim Wandern auch, ist das Wetter beim Golfspiel eher nachrangig
3. Trinkwassereinzugsgebiet- das ist kein Thema, Düngung der Grüns erfolgt minimal, die Fairways werden nur 2x pro Jahr gemäht
4. Nähe zu anderen Plätzen- Thüringen als Flächenland hat 3 Golfplätze, das ist im bundesweiten Schnitt eher wenig
Sprich mal mit Greenkeepern oder Leuten die unvoreingenommen das Thema Umweltschutz und Golf kennen. Zum Schluss- es geht um eine 6ha Wiese, ein durchschnittlicher Golfplatz hat etwa 400-600 ha inl. Flächen die nicht bespielt werden dürfen. Inklusive Biotopflächen.
9. Juli 2019 um 2:14 pm Uhr
Hallo Wb,
zu Ihren Anmerkungen möchte Ich gerne ein paar Gedanken beitragen:
1. Es ist überhaupt nicht daran gedacht, Breitensport auf der Wiese zu betreiben, diese soll und muss ein geschütztes Biotop bleiben. Dennoch kann man den besonderen Aspekt durch Besucherlenkung einer breiten Öffentlichkeit zugängig machen. Im Winter wird die Wiese ohnehin (ohne Schädigung der Wiese) für Übungs-Skibetrieb genutzt.
2. Natürlich spielt das Wetter eine Rolle beim Golf – anders als beim Wandern. Golfspielen in regen-/windgeschützter Kleidung ist wohl eher unüblich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Golfspieler nach dem Abschlag ihrem Ball im (für Oberhof typischen) Nebel hinterher blinzeln wollen.
3. Düngung: Kennen Sie die Langzeit-Auswirkungen auf den zu schützenden Lebensraum? Fairways werden wesentlich öfter als 2x gemäht. Entscheidend sind aber auch Planierung und Umwandlung in eine naturferne Grasnarbe, um überhaupt golfen zu können. Von den notwendigen Baumaßnahmen, um die Wasserleitungen zur Bewässerung der Golfrasen zu verlegen, ganz zu schweigen.
4. Anzahl der Golfplätze (https://www.golfpost.de/golfclubs/thueringen-golfplatz/): Hier werden für Thüringen sieben Golfplätze aufgelistet, die teils nicht ausgelastet sind! Und keiner dieser Golfplätze ist in einem hoch sensiblen Naturraum angelegt worden oder hat unter Schutz stehende Bereiche beansprucht.
-Fläche: 400-600 ha zu argumentieren ist eine absolute Milchmädchenrechnung. Ein Golfplatz in Oberhof kann gar nicht so groß angelegt werden, damit dann z.B. ‘nur’ 6 ha (innerhalb von z.B. 400 ha) absolut unbeeinflusst bleiben könnten, das geben die geologischen Gegebenheiten gar nicht her. Man könnte die Bälle natürlich auch über Täler hinweg schlagen.
In Oberhof sollen für den geplanten Golfplatz übrigens noch 20 ha Wald gerodet werden. Ob das bei der aktuellen Klimaerwärmung angebracht ist, sei jetzt mal dahingestellt.
Wb, wenn Sie Leute kennen, die kompetent auf den Gebieten Golf UND Naturschutz, so würde ich gerne Kontakt zu diesen aufnehmen. Herr Engst kann hier sicher vermitteln.
Freundliche Grüße,
F. Petzke
15. September 2019 um 2:47 pm Uhr
Hallo,
ein paar Anmerkungen zu Ihren Ausführungen:
1. Gerade in der Zeit, in der die Vegetation ruht, sollte man sie auch ruhen lassen. Auf vielen Golfplätzen ist bei Schnee / Frost / Rauhreif deshalb das Spiel strikt untersagt.
2. Golf wurde vermehrt zunächst in Schottland gespielt, daher ist es schon aufgrund der dort herrschenden klimatischen Gegebenheiten so, daß nicht nur bei schönem Wetter gespielt wird. Das ist auch in Ordnung und gehört zum Spiel (selbstverständlich gibt es dafür auch entsprechende Kleidung).
Lediglich Gewitter erzwingt einen Spielabbruch.
3. Es gibt mittlerweile einige Plätze in Deutschland, die ohne Pestizide auskommen und auch kaum noch düngen.
Natürlich werden Fairways, Abschläge und Grüns gepflegt und gemäht. Es gibt aber auch große Areale auf den Plätzen, die überhaupt nicht angetastet werden (Hard Rough, Biotope), in denen dann auch viele seltene Tiere und Pflanzen leben. Gewässert werden ohnehin nur Abschläge und Grüns.
4. Sieben Golfplätze sind für ein Bundesland in der Größe Thüringens nicht gerade viel. “Auslastung” ist eine Frage der Gesamtheit der Faktoren, hier spielt Vieles hinein.
Das alte Golfhotel ist noch da, das Clubhaus auch. Beides sollte genutzt werden. Bedenklicher sind da die Pläne der AWO-Sano, das alte Golfhotel abzureißen und ein anderes Hotel dort zu errichten. Man begäbe sich dann eines Gebäudes, das wenigstens noch den Geist des “Royal and Ancient Game” atmete. Ein Hotel im alten Stil würde sich von so vielen seelenlosen Neubauten durchaus wohltuend abheben.
Der wieder zu errichtende Platz braucht neun Bahnen sowie etwas Platz zum Üben von Abschlägen, Bunkerschlägen, Pitch und Putt. So ein Problem kann das doch nicht sein.
In der Planung scheint der mittlere Teil der Wiese nicht für eine Bahn vorgesehen zu sein, es wird sich dort also die Möglichkeit eines Biotops der Maße 50m x 200m ergeben.
Ein paar ha Nadelwald zu roden und dort Spielbahnen anzulegen sowie zwecks Vermeidung von Monokulturen auch einige Laubbäume zu pflanzen ist vielleicht auch nicht unzweckmäßig.
Anstelle den Golfern beständig Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wäre es angebrachter, die tatsächlich an Naturschutz Interessierten würden konstruktiv mitarbeiten und Lösungen anbieten, statt ständig nur verhindern zu wollen.
Bisher war immer nur zu vernehmen, was alles nicht geht.
MfG
Munzel