Thomas Engst

Die heute vorgestellte Pflanze habe ich ausnahmsweise mal nicht in der freien Landschaft, sprich in Feld und Flur, entdeckt, sondern ganz schnöde und unspektakulär in der Stadt. Schon lange schaue ich mir die besiedelten Bereiche hinsichtlich Flora genauer an und entdecke hin und wieder Anzeichen für den gesellschaftlichen und klimatischen Wandel. Besonders (stillgelegte) Bahnhöfe sind mit ihren Hinterhöfen ein wahres Füllhorn an botanischen Entdeckungen. So wir das Gewöhnliche Tellerkraut (Claytonia perfoliata), welches ich in einem Kiesstreifen neben einer Straße aufgespürt habe.

Claytonia perfoliata ist ursprünglich im Westen Nordamerikas beheimatet, in Mittel- und Westeuropa tritt sie als Neophyt auf. Sie wird in Mitteleuropa angebaut, ist winterhart und wird darum gelegentlich als Wintergemüse verwendet.

Bei Claytonia perfoliata handelt es sich um eine fleischige einjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 10 bis 30 Zentimetern erreicht. Sie bildet eine grundständige Blattrosette. Die ersten Grundblätter sind rhombisch-eiförmig, lang gestielt und fleischig. Spätere Blätter wachsen unterhalb des Blütenstands paarweise zu Blättern zusammen, die so aussehen, als würde ein einziges kreisrundes Blatt vom Stängel durchstoßen werden. Diese Hochblätter besitzen einen Durchmesser von bis zu 30 Millimetern. Oberhalb dieser Blätter erscheinen von Februar bis Mai oder Juni die Blüten in Gruppen von 5 bis 40 Stück. Diese äußerst filigranen Gebilde blühen in einem schlichten Weiß und sind gerade mal zwei bis vier Millimeter lang.

Die relativ kleinen Blüten von Claytonia perfoliata sind zwittrig und von einer weißlichen Farbe. Die Kronblätter sind gerade mal 2 bis 4 Millimeter lang.

Die Heimat des Gewöhnlichen Tellerkrauts ist in den Berg- und Küstenregionen im Westen Nordamerikas, und zwar vom südlichen Alaska und zentralen British Columbia bis nach Mittelamerika. Am häufigsten kommt es in Kalifornien im Sacramento Valley und nördlichen San Joaquin Valley vor. Heute ist es auch in Mittel- und Westeuropa weit verbreitet, auf der Südhalbkugel wurde es in Australien und Neuseeland eingebürgert, weitere adventive Vorkommen befinden sich im südlichen Argentinien. In Europa ist es ein Neophyt in Portugal, Spanien, Frankreich, Korsika, Italien, Großbritannien, Irland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland, Tschechien, Dänemark und Schweden.[

Die ersten Grundblätter von Claytonia perfoliata sind rhombisch-eiförmig, lang gestielt und fleischig. Die Blätter enthalten Vitamin C, Magnesium, Kalzium und Eisen, aber wenig von dem unerwünschten Nitrat, das bei anderen Salatpflanzen oft ein Problem ist.

Die Artbezeichnung perfoliata („mit durchwachsenen Blättern“) und der deutsche Trivialname Tellerkraut beziehen sich auf die Hochblätter, die den Stängel flächig umschließen. Kubaspinat heißt die Pflanze, weil Siedler sie von Nordwestamerika in die Karibik mitbrachten, von wo sie über Australien im Jahr 1749 nach Westeuropa kam. Die englischen Trivialnamen miner’s lettuce und Indian lettuce erhielt das Gewöhnliche Tellerkraut schließlich, weil Indianer und Bergleute es als Salatpflanze nutzten.

Blütenstand von Claytonia perfoliata.

Die Samen von C. perfoliata keimen erst bei einer Temperatur unter 12 °C und werden darum in der Zeit von September bis März ausgesät. Die im Handel angebotenen Exemplare stammen fast ausschließlich aus Gewächshäusern. Die Ernte wird schon in einem frühen Stadium des Wachstums vorgenommen. Wenn die zarten Blätter nicht zu tief abgeschnitten werden, sind mehrere Ernten in der Saison von November bis April möglich. Zur Lagerung legt man die fleischigen Blätter des Gewöhnlichen Tellerkrauts locker in eine mit einem feuchten Tuch abgedeckte Schüssel. So bleiben die Blätter im Kühlschrank bei 2 bis 4 °C maximal sechs bis acht Tage haltbar.

Das Gewöhnliche Tellerkraut ist fast in seiner Gesamtheit genießbar: Junge Blätter, Stängel und auch Blüten können roh, ältere Blätter eher nur gekocht verzehrt werden. Rohe Blätter sind im Geschmack dem Feldsalat sehr ähnlich, jedoch mit weniger Aroma. Gekocht schmecken sie ähnlich dem Spinat.