Thomas Engst

Die EU-Staaten haben grünes Licht für ein kontroverses Naturschutzgesetz gegeben. Zukünftig sollen in der Europäischen Union mehr Bäume gepflanzt sowie Moore und Flüsse renaturiert werden. Eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten stimmte dem Vorhaben, das vor allem bei Landwirten und Konservativen auf Kritik stößt, in Luxemburg zu, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

Das Vorhaben war lange Zeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Die EU-Kommission hatte das sogenannte Renaturierungsgesetz vor fast zwei Jahren vorgeschlagen. Offiziellen Angaben zufolge sind etwa 80 Prozent der Lebensräume in der EU in schlechtem Zustand. Zudem sind 10 Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht, und 70 Prozent der Böden befinden sich in schlechter Verfassung.

Gesetz in abgeschwächter Form

Während Umweltschützer, zahlreiche Wissenschaftler und Unternehmen das Gesetz unterstützten, gab es starken Widerstand vor allem von Christdemokraten und Bauernverbänden. Kritiker befürchten zu große Belastungen für Landwirte und negative Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der EU. Um diesen Bedenken entgegenzukommen, wurde das Gesetz im Verhandlungsprozess erheblich abgeschwächt.

Eigentlich hatten sich die EU-Länder und das EU-Parlament bereits im November auf einen Kompromiss geeinigt. Demzufolge sollen Landwirte nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen bereitzustellen, was ursprünglich befürchtet wurde. Die Zustimmung durch beide Co-Gesetzgeber, die EU-Staaten und das Parlament, gilt in der Regel als Formsache. Das EU-Parlament hatte dem Gesetz in Straßburg bereits final zugestimmt. Allerdings lehnen einige Länder das Vorhaben weiterhin ab.

Österreichs Kanzler erklärt Klima-Ministerin für nicht bevollmächtigt

Die Mehrheit kam nun durch einen Kurswechsel Österreichs zustande. Die österreichische Klimaschutz- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) stimmte dem Gesetz zu und stellte sich damit gegen ihren konservativen Koalitionspartner, die Kanzlerpartei ÖVP. Österreichs Kanzler Karl Nehammer bezeichnete das Vorgehen seiner Ministerin als rechtswidrig und kündigte eine Nichtigkeitsklage beim EuGH an. Gewessler erklärte jedoch, ihre Zustimmung sei juristisch abgesichert.

Mit der Zustimmung der EU-Staaten ist das Gesetz eigentlich beschlossen. Sollte es keine juristischen Probleme im Hinblick auf Österreichs Vorgehen geben, müsste der Rechtstext nur noch in die offiziellen EU-Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die Vorgaben in Kraft treten können.

In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Ohne Artenvielfalt gebe es keine fruchtbaren Böden, keine saubere Luft und kein trinkbares Wasser, so Paulus (Quelle: dpa).