Thomas Engst

In Nationalparks wird die Natur weitestgehend sich selbst überlassen, sodass Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen Umgebung existieren können. Jagdfreie Zonen sind eingerichtet, um die biologische Vielfalt zu schützen, und umgestürzte Bäume werden nicht beseitigt. Diese Schutzmaßnahmen, die 1970 im Bayerischen Wald ihren Anfang nahmen, sind mittlerweile im Bundesnaturschutzgesetz verankert. In Deutschland gibt es derzeit 16 Nationalparks, und es besteht Potenzial für weitere. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansichten über diese Parks.

In Schleswig-Holstein spricht sich die CDU unter Ministerpräsident Daniel Günther zwar für den Schutz der Ostsee aus, aber sie bevorzugt andere Schutzmaßnahmen statt eines Nationalparks, wie von den Grünen, die den Umweltminister stellen, vorgeschlagen. In Baden-Württemberg ist der CDU-Forstminister gegen die geplante Erweiterung des Nationalparks Schwarzwald, wie sie im grün-schwarzen Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Im Gegensatz dazu hat die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Suche nach einem zweiten Nationalpark begonnen. Dennoch gibt es Widerstand, insbesondere von einem SPD-Landrat im Kreis Siegen-Wittgenstein, der gegen eine Bewerbung des Rothaarkamms mit einem Wisent-Projekt ist und die Zeitvorgaben der Landesregierung kritisiert. Trotzdem wird vorerst keine Ablehnung der Bewerbung erfolgen, aber die Frist wird verschoben.

Die Gesamtfläche der Nationalparks in Deutschland beträgt laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) über 1,05 Millionen Hektar, wobei ein Großteil davon im Meer liegt und 208.238 Hektar auf dem Land entfallen, was weniger als 0,6 Prozent des Bundesgebiets ausmacht.

Die meisten deutschen Nationalparks werden derzeit als “Entwicklungs-Nationalparks” eingestuft, da sie nur teilweise die Kriterien für großflächige, ungestörte Naturentwicklung erfüllen. Es gibt jedoch weitere Gebiete, die sich für die Ausweisung als Nationalpark eignen, darunter Buchenwaldökosysteme und ehemalige militärische Übungsplätze.

Nationalparks sollten idealerweise eine Mindestgröße von 10.000 Hektar haben, um stärkeren Einflüssen von außen, wie Schadstoffen, entgegenzuwirken, so eine Sprecherin des BfN. Zudem soll auf 75 Prozent der Fläche eines Nationalparks ein ungestörter Ablauf der “natürlichen Dynamik” gewährleistet sein. Eine Evaluierung aller Nationalparks in Deutschland wird bis Ende des nächsten Jahres durchgeführt, um Stärken und Schwächen sowie deren Ursachen zu identifizieren, wie der Verein Nationale Naturlandschaften betont. Defizite sollen behoben werden, da Nationalparks ohne Qualität lediglich Etikettenschwindel darstellen.

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In einer früheren Bewertung vor mehr als zehn Jahren wurden Verbesserungen in der Wahrnehmung der Nationalparks durch Presse, Anwohner und Besucher im Laufe der Zeit festgestellt, wobei die Schutzgebiete als wichtige regionale Attraktionen anerkannt wurden. Als Schwächen wurden jedoch unter anderem mangelnde wirtschaftliche Untersuchungen in den Regionen sowie unzureichende Verkehrsanbindungen außerhalb der Hauptsaison identifiziert. Nationalparkverwaltungen betonen vor Ort, wie ihre Parks Naturschutz, Erholung und Forschung ermöglichen. Beispielsweise begrüßt der Bayerische Wald jährlich über 1,3 Millionen Besucher und bietet ein umfangreiches Führungsprogramm. Der Nationalpark Hainich in Thüringen weist auf die größte nutzungsfreie Laubwaldfläche Deutschlands hin, in der mehr als 2000 Käferarten leben, darunter Neunachweise für Thüringen und Deutschland sowie Wiederfunde von als ausgestorben geltenden Arten. Zudem bieten diese Parks Lebensraum für Vogelarten wie Braunkehlchen, Grauammer und Neuntöter.

Auch die seltenen Gelbbauchunken sollen in diesem Gebiet eine Zukunft haben. Hierbei ergibt sich jedoch ein Dilemma: Diese Tiere bewohnen das südliche Areal eines ehemaligen Truppenübungsplatzes. Die offenen Landschaften, die unter den Bedingungen des “Natur Natur sein lassen”-Ansatzes zu Wald werden würden, erklärt die Sprecherin. Daher wurden Projekte zur Beweidung ins Leben gerufen, um diese Lebensräume zu erhalten.

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Im Nationalpark Schwarzwald zeigt sich jedoch eine nüchterne Bilanz. Trotz der Ausweisung von über 3000 Hektar jagdfreier Wildruhezonen hat der Bestand an Rothirschen laut dem Landesumweltministerium seit der Gründung des Parks nicht zugenommen. Die Population des Auerhuhns, dem Symboltier der Region, ist über die Jahre sogar geschrumpft. Immerhin wurden in diesem Frühjahr sechs balzende Hähne mehr als im Vorjahr gezählt.

Besonders in der Forstwirtschaft gibt es laute Kritik. Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, betrachtet Nationalparks als kontraproduktiv für den Klimaschutz und die Holzversorgung. “Keine Holzernte bedeutet keinen Ersatz für klimaschädliche Baustoffe und Brennstoffe wie Beton, Aluminium, Gas und Öl”, erklärt er.

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Zudem argumentiert er, dass die Artenvielfalt in den Nationalparks oft nicht größer ist als in naturnah bewirtschafteten Wäldern. In vielen Fällen breiten sich laut Bitter Borkenkäfer aus, die auf gesunde Wälder in der Umgebung übergreifen können. Daher betonen auch Forstfachleute der Landwirtschaftskammer Niedersachsen mit Blick auf den Harz, dass Schäden, beispielsweise durch Insekten, sorgfältig überwacht und die Ergebnisse mit allen regionalen Interessengruppen erörtert werden sollten.

Der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrats, Georg Schirmbeck, argumentiert ebenfalls mit dem Klimawandel. Aufgrund seines rasanten Fortschreitens müssten Wälder gezielt umgebaut werden. Die regionale Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz nicht mehr zu erlauben, hätte nach seinen Angaben Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Forstbetrieben, der holzverarbeitenden Industrie und dem Handwerk über die Region hinaus (Quelle: Welt.de).