Thomas Engst
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Die ersten Rauchschwalben verlassen Bayern und ziehen nun im Spätsommer in den Süden Afrikas. Diese standorttreuen Vögel kehren jedes Jahr in ländliche Gebiete zurück, wo sie in offenen Scheunen, Ställen und verwinkelten Gebäuden brüten. Doch zunehmend setzen Hygiene-Vorgaben der Lebensmittelindustrie den Schwalben zu. Supermarktketten verlangen von landwirtschaftlichen Betrieben im Freistaat Zertifikate wie GLOBALG.A.P. und International Food Standard (IFS), deren Auslegung durch Zertifizierungsstellen oft dazu führt, dass Schwalbennester entfernt werden sollen. Dabei sind die Nester durch das Bundesnaturschutzgesetz ganzjährig geschützt und dürfen weder entfernt noch zerstört werden!

Die strengen Auflagen der Zertifizierungsstellen bringen Landwirtinnen und Landwirte in eine Zwangslage, die Nester möglicherweise illegal entfernen zu müssen. Wir fordern, dass Lebensmittelkonzerne, die in den letzten Jahren vermehrt mit Artenvielfalt und Nachhaltigkeit werben, auch ihrer Verantwortung im Naturschutz gerecht werden.

Widerspruch zu Naturschutzvorgaben


Aus Landwirtschaftskreisen wurde uns berichtet, dass solche Probleme besonders im Obst- und Gemüsebau auftreten. Externe Zertifizierungsstellen fordern Landwirtinnen und Landwirte auf, sämtliche Nester aus Hallen zu entfernen, auch wenn diese nicht über den Produkten liegen. Diese Aufforderung stützt sich auf die Standards von GLOBALG.A.P. und IFS, steht jedoch im klaren Widerspruch zum Bundesnaturschutzgesetz. Das unrechtmäßige Entfernen der Nester stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Enthält das Nest bereits Eier oder Jungvögel, wird es sogar als Straftat geahndet.

Aus hygienischer Sicht gibt es keinen Grund zur Sorge, denn Landwirtinnen und Landwirte können Vorkehrungen treffen, um eine Verunreinigung zu verhindern. In vielen Betrieben ist dies bereits Praxis. So können Kotbretter oder Abdeckungen verhindern, dass Schwalbenkot in Futtermittel oder auf gelagerte Waren gelangt.

Ein vollständiges Fernhalten von Vögeln, insbesondere von den standorttreuen Schwalben, ist kaum möglich. Landwirtschaftliche Betriebe können sich nicht völlig von der Natur abschotten. Was es braucht, sind angemessene Hygienemaßnahmen, die den Naturschutz berücksichtigen.

Landwirtschaft im Dilemma: Naturschutz versus Zertifizierung


Landwirtinnen und Landwirte befinden sich in einem Dilemma, da sie auf Zertifizierungen wie GLOBALG.A.P. und IFS angewiesen sind. Discounter wie Aldi und Lidl sowie Supermärkte wie EDEKA und Rewe verlangen diese Nachweise. Ohne die Zertifikate droht den Produzenten, auf ihren Produkten sitzenzubleiben. Es darf nicht sein, dass Landwirtinnen und Landwirte aus Angst vor dem Verlust der Zertifizierung gezwungen werden, die Schwalbennester zu entfernen.

Eine von uns eingeholte Stellungnahme von GLOBALG.A.P. betont, dass bestehende Nester nicht entfernt werden sollten, aber neue Nester an Außenwände gelenkt werden müssten. Diese Forderung ist jedoch für Rauchschwalben unpraktikabel, da sie in Deutschland fast ausschließlich in Innenräumen brüten. Zudem kritisieren wir die mangelnde Expertise der Zertifizierungsstellen in Bezug auf den Artenschutz.

Schwalben sind Teil der Landwirtschaft

Rauchschwalben und andere Vogelarten gehören zur bayerischen Kulturlandschaft und sind auf vielen landwirtschaftlichen Höfen gern gesehene Gäste. Ihre Rückkehr im Frühling signalisiert den Beginn der neuen Saison. Als Insektenfresser sind sie nützlich, da sie Fliegen und andere Insekten im Stall reduzieren. Eine Rauchschwalbenbrut benötigt etwa ein Kilogramm Insekten – das sind rund 150.000 Fliegen und Mücken. Durch das zunehmende Insektensterben haben es Rauchschwalben ohnehin schwer, ausreichend Nahrung zu finden, weshalb sie auf der Vorwarnliste der bayerischen Brutvögel stehen (Quelle: lbv.de).