Thomas Engst

Mit nicht existenten Klimaschutzprojekten in China sollen Mineralölkonzerne sich CO2-Zertifikate erschlichen haben. Die Union erhöht den Druck auf Umweltministerin Lemke. Die Ministerin räumt unzureichende Kontrollen ein.

In der Affäre um mutmaßlichen Betrug mit Klimaschutz-Zertifikaten fordert die Union von Bundesumweltministerin Steffi Lemke vollständige Aufklärung. Die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber kritisierte die Kontrollbehörden dafür, monatelang untätig geblieben zu sein. Lemke trage die Verantwortung und müsse die Aufklärung zur Chefsache machen, so die CSU-Politikerin. Im Umweltausschuss des Bundestags schilderte Lemke den aktuellen Stand: Alle umstrittenen Projekte seien zum 1. Juli dieses Jahres gestoppt worden. Sie sprach von möglicher schwerer Umweltkriminalität und gestand ein, dass die Kontrollen nicht immer funktioniert hätten. Es sei ein Fehler der Vorgängerregierung aus Union und SPD gewesen, dieses betrugsanfällige System überhaupt einzuführen.

Hintergrund sind Betrugsvorwürfe rund um Projekte in China, mit denen Mineralölkonzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen können. Durch die Finanzierung bestimmter CO2-Einsparungen im Öl-Sektor erhalten sie entsprechende Zertifikate, die ihnen für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben werden. Diese “Upstream Emission Reduction”-Projekte (UER) werden auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. Deutsche Konzerne haben sich möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen lassen, den es nie gegeben hat, weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. Laut Umweltbundesamt (UBA) müssen von 60 Projekten etwa 40 erneut untersucht werden. Bei zehn dieser Projekte gibt es besonders deutliche Hinweise auf Betrug, weshalb das UBA Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt hat.

Die Kontrollmechanismen stehen nun stark in der Kritik. Die Genehmigung der Projekte erfolgt durch das Umweltbundesamt, eine dem Umweltministerium untergeordnete Behörde, während die Kontrollen vor Ort von Zertifizierungsunternehmen durchgeführt werden. UBA-Chef Dirk Messner sagte kürzlich der Welt am Sonntag, dass das Umweltbundesamt an die Grenzen der Nachweisbarkeit stoße. Der Überprüfungsmechanismus basiere auf dem Vertrauen in die Verifizierer und Validierer.

Zum Zeitplan der Aufarbeitung erklärte Lemke, dass das UBA ihrem Ministerium erst Ende August des vergangenen Jahres einen ersten Fall gemeldet habe. Dieser sei jedoch “diffus” gewesen. Erst gegen Jahresende hätten sich die Hinweise auf möglichen Betrug verdichtet, so Lemke (Quelle: tagesschau.de).