Thomas Engst

Wer in diesen Sommertagen in Bayern unterwegs ist und auf das Grün entlang der Straßen, Verkehrsinseln, Kreisverkehre und anderen städtischen Flächen achtet, stellt zweierlei fest: Manche Grünflächen sind ordentlich gestutzt, während andere in hohen Wiesen mit blühenden Wildblumen erstrahlen.

„Blühpakt Bayern“ zur Förderung der Artenvielfalt


Manche erinnern sich dabei an das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ von 2019. Über 1,7 Millionen Menschen unterstützten damals das Anliegen, besorgt über den Artenschwund, insbesondere bei Insekten. Die Staatsregierung nahm das Begehren an, ohne dass es zu einem Volksentscheid kam.

Bereits ein Jahr zuvor hatte die Staatsregierung den „Blühpakt Bayern“ ins Leben gerufen, um durch konkrete Projekte die Artenvielfalt zu fördern. Ziel war es, neben Landwirtschaft und Privatpersonen auch möglichst viele Kommunen zur Schaffung naturnaher und artenreicher Flächen zu bewegen. 2021 folgte eine „Gemeinsame Erklärung für mehr Artenvielfalt“ durch das Umweltministerium, den Bayerischen Städtetag und den Gemeindetag. Doch was hat sich seither in den Städten und Gemeinden getan? Wie viele artenreiche Flächen wurden geschaffen, und was bleibt noch zu tun?

Glauber: „Eine Erfolgsgeschichte“


Für Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist der Blühpakt „eine Erfolgsgeschichte“, auch auf kommunaler Ebene. Nach Angaben seines Ministeriums konnten bisher 200 der rund 2.000 Gemeinden im Freistaat motiviert werden, auf ihren Flächen neue Lebensräume für Insekten zu schaffen. Diese Kommunen haben insgesamt über 570.000 Quadratmeter Lebensraum, also 57 Hektar, für Insekten geschaffen.

Unterstützt wurde der „Blühpakt“ von der Initiative „Natürlich Bayern“ des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL), ebenfalls gefördert vom Umweltministerium. Dagmar Nitsche vom DVL erklärt, dass „Natürlich Bayern“ nach sechs Jahren Laufzeit bald endet: „Wir haben 500 Hektar kommunale Flächen ökologisch aufgewertet und 65 Bauhöfe mit etwa 1.200 Mitarbeitern geschult, sodass nun viel Wissen in den Landkreisen vorhanden sein sollte.“

Blühendes Beispiel: Neumarkt-Sankt Veit


Neumarkt-Sankt Veit, die kleinste Stadt im Landkreis Mühldorf, wurde vom Landschaftspflegeverband unterstützt. Bürgermeister Erwin Baumgartner berichtet, dass bereits 2017 – vor dem Volksbegehren und dem Blühpakt – mit der Umwandlung von Flächen begonnen wurde, nachdem ein Seminar zum Thema Biodiversität sein Interesse geweckt hatte.

Begonnen wurde mit einer Brachfläche am Stadtrand, weniger als einen Hektar groß. Später folgten weitere Flächen, wie die Grünfläche am „Mühleneck“, die nach Bauarbeiten aufgrund von Bauschutt nicht gemäht werden konnte. Die Stadt begann 2021, diese Fläche naturnah zu gestalten.

Hilfe vom Landschaftspflegeverband


Esther Lindner vom Landschaftspflegeverband Mühldorf erinnert sich, dass die Stadt Neumarkt-Sankt Veit bereit war, an ihrem Projekt „Mühldorfs blühende Gemeindewiesen“ teilzunehmen, wodurch die Zusammenarbeit entstand.

Beteiligung der Bürger


Bürgermeister Baumgartner betont, wie wichtig es ihm war, die Bürger über die Projekte zu informieren und sie zu beteiligen, was bei der ersten Fläche am Stadtrand auch geschah.

Unterstützung vom Bauhof


Der Bauhof setzte damals statt des Mulchers den Balkenmäher auf den naturnahen Flächen ein. Bauhof-Leiter Martin Wolf berichtet, dass die Umstellung für die Mitarbeiter eher in den Arbeitsabläufen lag, nicht in der Technik. Insgesamt sei es eine Arbeitserleichterung und eine Aufwertung der Stadt für die Natur und die Insektenvielfalt.

Mühldorf: „Schritt für Schritt“


Auch in der Kreisstadt Mühldorf wird der Mähbetrieb auf Gemeindeflächen „Schritt für Schritt extensiviert“, allerdings nur in begrenztem Umfang aufgrund fehlender Betriebskapazitäten. Mittel- bis langfristig wolle man jedoch größere zusammenhängende Flächen weiter extensivieren.

In Waldkraiburg fehlen zwar noch Balkenmäher, aber auch hier werden Rasenflächen seltener gemäht und abgemagert, wobei externe Dienstleister herangezogen werden, wo nötig.

„Viel Luft nach oben“


Laut dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) gibt es noch erheblichen Handlungsbedarf bei der Umwandlung kommunaler Grünflächen in naturnahe und artenreiche Flächen. Der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer betont, dass sich zwar schon einiges bewegt habe, doch weniger als die Hälfte der kommunalen Grünflächen seien in einem wünschenswerten Zustand. Dagmar Nitsche vom DVL sieht ebenfalls noch viel Potenzial.

Kommunale Flächen „prägen Standards“


Während landwirtschaftliche Flächen aufgrund ihrer Größe und Bedeutung wichtiger sind, spielen kommunale Flächen eine entscheidende Rolle für den öffentlichen Eindruck. LBV-Chef Schäffer betont, dass blühende Flächen an Straßenrändern Standards prägen und die Wertschätzung für naturnahe Flächen steigern.

Regionales Saatgut besser für heimische Arten


Wichtig ist dabei der Einsatz von regionalem, autochthonem Saatgut, da regionale Arten an regionale Pflanzen angepasst sind. Dies sei besonders wichtig für spezialisierte Arten wie die Mohnbiene, die bestimmte Pflanzen zur Fortpflanzung benötigt.

Wiesen auch braun und vertrocknet wertvoll


Entscheidend sei auch, Wiesen zu erhalten, wenn die Pflanzen nicht mehr blühen, da viele Insekten auch in vertrockneten Stängeln und im Boden überwintern. Dieses Wissen zu verbreiten sei Aufgabe der Naturschutzverbände, die heute mehr Gehör finden als vor dem Volksbegehren (Quelle: BR).