Thomas Engst

Seit Jahrzehnten wird die Verantwortung der Landwirtschaft für den Erhalt der biologischen Vielfalt diskutiert, und die Dringlichkeit der Appelle nimmt stetig zu. Vor etwa vier Jahren äußerten sich die “Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina”, “acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften” und die “Union der deutschen Akademien der Wissenschaften” in dieser Debatte mit klaren Worten. In ihrem Bericht betonen sie, dass die Agrarlandschaft seit geraumer Zeit von einem dramatischen Rückgang der Tier- und Pflanzenarten betroffen ist. Um den Zusammenbruch der Ökosysteme zu verhindern und eine nachhaltige Bewirtschaftung durch die Landwirte zu gewährleisten, sehen die Wissenschaftler die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen der Landwirtschaft grundlegend zu überdenken.

Ein solcher Wandel schien sich tatsächlich in der letzten Reform der EU-Agrarpolitik abzuzeichnen. In den Verhandlungen über die Förderung für die Jahre 2023 bis 2027 wurde intensiv über eine Verpflichtung zur Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen gestritten. Diese Regelung sollte für alle Betriebe gelten, die Direktzahlungen, also europäische Subventionen, erhalten wollen.

Nach langem Hin und Her einigte man sich schließlich darauf, dass vier Prozent der Betriebsfläche ungenutzt bleiben sollten. Diese Entscheidung wurde jedoch im Frühjahr 2024 nach massiven Bauernprotesten im Eilverfahren wieder zurückgenommen.

Brachflächen, also stillgelegte Felder, sind jedoch von großer Bedeutung für die Artenvielfalt. Dr. Norbert Röder, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut für Ländliche Räume, forscht seit mehr als 20 Jahren zu den Auswirkungen agrarpolitischer Entscheidungen auf die Landschaft und Biodiversität. Er weist darauf hin, dass es bereits in den 1990er-Jahren Stilllegungen gab, um die übermäßige Nahrungsmittelproduktion zu reduzieren. Diese Brachen hatten positive Effekte auf die Artenvielfalt, und Röder betont, dass solche Flächen heute wieder eine wichtige Rolle spielen könnten.

Je intensiver ein Acker genutzt wird, desto weniger Arten finden dort Lebensraum. Neben den angebauten Feldfrüchten haben es andere Pflanzen schwer, sich durchzusetzen, da sie oft durch die regelmäßige Bodenbearbeitung und Ernte gestört werden. Einige Landwirte, wie Florian Grobe von der Erzeugergenossenschaft Kromsdorf, setzen auf Mulchen, um konkurrierende Wildpflanzen fernzuhalten und die Kontrolle über ihre Felder zu behalten.

Aus ökologischer Sicht sind vielfältige Pflanzengesellschaften entscheidend für die Artenvielfalt rund um landwirtschaftliche Flächen. Jede Pflanzenart unterstützt zahlreiche Tierarten, was deutlich macht, wie wichtig ungestörte Flächen für die Biodiversität sind. Die EU führte 2015 das sogenannte “Greening” ein, bei dem Landwirte verpflichtet wurden, einen Teil ihrer Flächen als ökologische Vorrangflächen zu bewirtschaften. Diese Maßnahmen sollten mehreren Zielen dienen, darunter der Erhalt der Biodiversität und der Schutz von Böden.

Die Ergebnisse waren jedoch durchwachsen, da die Maßnahmen oft nicht optimal auf den Erhalt der Artenvielfalt ausgerichtet waren. Trotz allem haben ökologische Vorrangflächen den Artenschwund gebremst, insbesondere wenn sie über längere Zeit bestehen bleiben.

Die Agrarwissenschaft sah in der Verpflichtung zur vierprozentigen Stilllegung eine Chance, eine Trendumkehr beim Artenschwund zu bewirken. Studien zeigten, dass solche Brachen die Biodiversität erheblich steigern könnten, insbesondere in Regionen mit intensiver Landwirtschaft. Die EU schuf zwar einen neuen Fördertopf, der Landwirte für freiwillige Stilllegungen honoriert, doch ob dies den erwarteten Effekt der verpflichtenden Stilllegung erreicht, bleibt fraglich. Um die gewünschten vier Prozent Stilllegung zu erreichen, wären zusätzliche Finanzmittel nötig, die derzeit nicht verfügbar sind.

Für die Wissenschaft ist es entscheidend, die verbleibenden Brachen so zu platzieren, dass sie maximale positive Auswirkungen auf Gewässer, Böden, Pflanzen und Tiere haben. Ausführliche Informationen gibt es auf der Seite des MDR.