Thomas Engst

Vor 50 Jahren wurde im privaten Loisaba Reservat in Zentralkenia das letzte Spitzmaulnashorn gesichtet. Wilderer hatten die Artgenossen in dieser Gegend ausgerottet. Doch nun ist die größte Umsiedlung in der Geschichte des Landes geglückt: 21 Exemplare wurden aus anderen Parks hier angesiedelt. Daniel Yiankere, der Chef der Sicherheitseinheit im Reservat, freut sich über den Zuwachs. Täglich ist er auf der Pirsch nach seinen Schützlingen. In der Ferne entdeckt er den sechsjährigen Dickhäuter William im hohen Gras. In der neuen Umgebung müssen sich die Tiere noch eingewöhnen, erklärt Yiankere: “Der Lebensraum ist für sie hier optimal. Aber sie brauchen Zeit. Sie müssen erstmal die Gegend erkunden. Sie müssen ihr Territorium sorgfältig markieren, bevor sie sich hier heimisch fühlen.”

Die Spitzmaulnashörner sind noch etwas traumatisiert von den Strapazen des Transports und der ungewohnten Umgebung. Daher verstecken sie sich häufiger im dichten Buschwerk. Diese Art ist stark bedroht: In den 80er Jahren waren von ursprünglich 20.000 Spitzmaulnashörnern in Kenia nur noch rund 350 übrig. Es wurde befürchtet, dass die Tiere in dem Land vollständig aussterben könnten. Inzwischen haben sich die Bestände durch intensive Schutzmaßnahmen etwas erholt, und es gibt wieder insgesamt rund 1.000 Spitzmaulnashörner. In einigen Parks gibt es jetzt sogar zu viele. Nicht zuletzt deshalb wurden die 21 Tiere umgesiedelt. Denn wenn Nashörner zu eng aufeinander leben, bekommen sie keine Nachkommen mehr und tragen tödliche Revierkämpfe aus.

Allerdings ist eine Nashornumsiedlung nicht ungefährlich. Im Jahr 2018 endete ein Versuch, elf Nashörner umzusiedeln, sogar tödlich. Alle Tiere starben kurz nach der Ankunft in der neuen Heimat an Dehydrierung, Stress und Hunger. Sie vertrugen das salzigere Wasser im Reservat nicht.

Erst vergangenes Jahr war eine Umsiedlung in das Loisaba Reservat geplant, die jedoch aufgrund der damaligen großen Dürre verschoben werden musste. Es hätte weder genug Nahrung noch genug Wasser für die Nashörner gegeben. Auch dieses Mal verlief die Aktion nicht reibungslos. Vor Beginn des Einsatzes hatte es tagelang geregnet, wodurch das benötigte schwere Gerät auf den nassen Böden nicht einsatzfähig war. Zudem bahnte sich eine Katastrophe an, als ein vom Hubschrauber aus betäubtes Nashorn in einen Fluss rutschte. Tierärzte und Ranger hielten den Kopf des Nashorns so lange hoch, bis es mit einem Gegenmittel wieder aufwachte und sich selbst retten konnte. Die Aktion wurde vorübergehend gestoppt.

Beim nächsten Versuch lief alles glatt. Dutzende Helfer konnten die etwa eine Tonne schweren Säuger unbeschadet in Lastwagen verfrachten. Die Spitzmaulnashörner aus dem Nairobi National Park hatten mit mehr als 300 Kilometern die weiteste Anreise. Bei der Auswahl der Tiere war die richtige Mischung besonders wichtig. Der Generaldirektor des Kenya Wildlife Service, Erustus Kanga, betonte, dass es bei der genetischen Zusammenstellung keine Kompromisse geben durfte. Die Altersspanne der umgesiedelten Nashörner reicht von fünf bis 24 Jahren. Zusammen mit anderen Faktoren wurde eine Gruppe zusammengestellt, die als entwicklungsfähige Subpopulation bezeichnet wird.

Nun gilt es, die Spitzmaulnashörner ausreichend zu schützen. Wilderer, die auf der Jagd nach ihren Hörnern sind, sollen keine Chance mehr haben. Dem 14 Jahre alten Nashorn namens Donald stehen gleich zwei Ranger zur Seite, die ihn Tag und Nacht bewachen. Elektrozäune und Drohnen werden eingesetzt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das Ziel ist es, den Bestand zu verdoppeln (Quelle: tagesschau.de).