Stefanie Weigelmeier

– von Stefanie Weigelmeier.

Der früher häufige Eulenfalter Diarsia dahlii dokumentiert Abnahme und Isolierung von Feuchtlebensräumen in Deutschland. Heute ist die Art vom Aussterben bedroht.

Ein bisschen Systematik – ein bisschen Biologie.

Diarsia dahlii gehört zu den Eulenfaltern. Wie ihre Namensvetterinnen, die Eulen, sind Eulenfalter dämmerungs- und nachtaktiv. Die adulten Tiere fliegen hauptsächlich im August bis in den September hinein.
Die meisten nachtaktiven Tiere verstecken und tarnen sich tagsüber und haben ein entsprechend unauffälliges Erscheinungsbild.
Auch die Raupen sind unscheinbar. Sie essen die Blätter von Gehölzen wie Birke, Heidelbeere und Heidekraut, aber auch krautige Pflanzen wie Ampfer und Wegerich.

Für Diarsia dahlii finden sich zwei deutsche Bezeichnungen: Moorwiesen-Erdeule und Dahls Moorheideneule. Die englische Bezeichnung lautet barred chestnut und lässt sich in etwa mit „gewellter Kastanie“ übersetzen. Während der englische Name auf ihr Erscheinungsbild abzielt, sagen uns die deutschen Namen etwas über die Landschaft, welche die Art bewohnt. Für den Artikel bleibe ich bei Diarsia dahlii.

Diarsia dahlii auf der Roten Liste – vom Aussterben bedroht

Das Rote-Liste-Zentrum stuft die Art als vom Aussterben bedroht ein. Die aktuelle Bestandssituation ist sehr selten und der langfristige Bestandstrend ist ein starker Rückgang. (Hier habe ich darüber geschrieben, was die Roten Listen eigentlich sind.)

Der Naturkundler Frank Rosenbauer hat sich die Mühe gemacht und die Funddaten für alle Flächenbundesländer bis inklusive dem Jahr 2022 zu recherchieren und zusammenzutragen (Quelle s.u.). Damit konnte er die ehemalige Verbreitung sowie den Verlauf des Rückgangs sichtbar machen. Eindeutig ist: Der Bestand nimmt über die letzten 100 Jahre massiv ab. Der Rückgang setzte mindestens ab dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein und läuft bis in die Gegenwart fort. Während Diarsia dahlii um 1910 noch auf 174 Messtischblättern (MTBs) verzeichnet worden ist, sprechen wir heute von etwa zehn MTBs.

Ein Messtischblatt (MTB) ist eine frühere Bezeichnung für eine topografische Karte im Maßstab 1:25.000. 4cm entsprechen hier 1 km in der Natur.

Es gibt keine detaillierten Untersuchungen zu Ursachen des Rückgangs von Diarsia dahlii. Rosenbauer hält jedoch den Verlust der Feuchtlebensräume für einen der wahrscheinlichsten Gründe.

Der Lebensraum schwindet

Diarsia dahlii besiedelt Moore oder zumindest feuchte Habitate, meist in und am Rande lichter Wälder. Moore, Moorwiesen und feuchte Heidelandschaften sind in Mitteleuropa sehr selten geworden.

Rosenbauer hat festgestellt, dass die Art keine neuen Messtischblätter besiedelt, sondern nur Verluste erlitten hat.
Diarsia dahlii war einst in Deutschland weit verbreitet. Ihren ehemaligen Schwerpunkt hatte die Art in weiten Teilen des norddeutschen Tieflandes, in den Mittelgebirgen und im Voralpenraum.

Das ist stark zusammengeschrumpft auf zwei Reliktstandorte im Emsland und im Voralpenraum.

Die aktuell noch besiedelten Gebiete in Deutschland zeichnen sich durch zwei Merkmalskombinationen aus: eine nach wie vor hohe Niederschlagsmenge auf wasserspeichernden Böden und ein großräumiges Vorhandensein flächiger ausgedehnter Feuchtlebensräume. Das findet sich beispielsweise im Nordseeumfeld im Emsland sowie im Voralpenland.

Der Landschaftstyp Feuchthabitate wie Bruchwälder und Moore ist dokumentiert in den letzten hundert Jahren mehr und mehr verschwunden. Sie wurden teilweise komplett zerstört oder stark verändert durch Entwässerung und Grundwasserabsenkung. Verbliebene Feuchthabitate sind klein und oft voneinander isoliert.
Ausbreitungsschwachen Tieren, wie Diarsia dahlii fällt es schwer, unbesiedelte Gebiete zu erreichen.

Extremwetterereignisse und Dürren als Folge des durch den Menschen beschleunigten Klimawandels verstärken die Situation.

Diarsia dahlii ist kein Pandabär

Vermutlich ist dies die erste schriftliche Erwähnung von Diarsia dahlii jenseits der wissenschaftlichen Literatur.
Höchstwahrscheinlich würde Diarsia dahlii auf Instagram nur wenige Follower bekommen und das Hashtag nur wenig Aufmerksamkeit.
Vermutlich wurde Diarsia dahlii bisher nur von wenigen Menschen bewusst oder unbewusst (mir inbegriffen) überhaupt gesehen.
Höchstwahrscheinlich kann man weder aus Diarsia dahlii, noch aus ihren Raupen oder aus Abbauprodukten lebensrettende Medikamente oder andere Wundermittel herstellen.
Und sicherlich muss man schon ein gewisses Faible für Insekten haben um beim Anblick einer „Motte“ in ähnliche Verzückungszustände zu geraten, wie die meisten Menschen bei Pandabären, Eichhörnchen, Katzen oder Robben.

Diarsia dahlii ist kein Pandabär, und trotzdem…

Trotzdem… ?  

Diarsia dahlii ist weder eine Schlüsselart, noch eine Schirmart und auch keine attraktive Flaggschiffart (wie der bereits erwähnte Pandabär).

Aber… !

Diarsia dahlii war wohl mal relativ häufig.
Möglicherweise ist Diarsia dahlii ein wichtiger Bestandteil auf der Speisekarte anderer Tiere oder spielt eine egal wie kleine oder große andere Rolle im Ökosystem.
Möglicherweise auch eine Rolle, die wir noch gar nicht kennen und vielleicht auch erst erkennen werden, wenn sie bereits ausgestorben ist.

Wie dem auch sei – die Zusammenstellung der Daten durch den Naturkundler Frank Rosenbauer dokumentiert den dramatischen Rückgang einer Insektenart kühlfeuchter Lebensräume im Zusammenhang mit Klimawandel und Landschaftszerstörung in den letzten 100 Jahren. So wie Diarsia dahlii erging und ergeht es vielen Arten, mehr oder weniger ungesehen von uns Menschen.

Diarsia dahlii. Foto mit freundlicher Genehmigung von © Frank Rosenbauer.
F. Rosenbauer (2023) Diarsia dahlii (Hübner, [1813]), ein Beispiel für den massiven Rückgang von Insektenarten kühlfeuchter Lebensräume in Deutschland. in: Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 23: 19-35.