Thomas Engst

Die deutschen Landwirte sollen gemäß den politischen Vorstellungen ihre Ställe zugunsten des Tierwohls umrüsten. Die Finanzierung dafür soll von den Verbrauchern kommen – durch eine neue Steuer auf Fleisch. Es gibt nun ein konkretes Konzept, das sich am Beispiel der Kaffeesteuer orientiert.

Das Grundkonzept existiert bereits seit vier Jahren. Eine Kommission zur Zukunft der Tierhaltung, die von Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) eingesetzt wurde, präsentierte 2020 umfangreiche Vorschläge. Diese sahen vor, dass Tierhalter finanziell für den Mehraufwand entschädigt werden, der durch die Einrichtung von Ställen mit mehr Platz pro Tier entsteht. Die Entschädigung sollte als Abgabe je Kilogramm Fleisch von den Verbrauchern gezahlt werden. Özdemir hat dieses Konzept in seine politische Agenda aufgenommen und wirbt seitdem er vor zwei Jahren überraschend Landwirtschaftsminister wurde, dafür. Laut einem aktuellen Papier seines Ministeriums, das der WELT vorliegt und über das „Table Media“ zuerst berichtete, ist die von der Kommission vorgesehene zweckgebundene Abgabe mit EU-Recht nicht vereinbar. Als möglicher Ausweg wird eine Verbrauchsteuer nach dem Vorbild der Kaffeesteuer diskutiert. Allerdings sind Steuern prinzipiell nicht zweckgebunden.

Bislang scheiterte eine neue Steuer auf Fleisch vor allem am Widerstand der FDP, die sich generell gegen Steuererhöhungen positioniert hat. Durch die Bauernproteste könnte sich dies jedoch ändern. Die Steuer, deren Konzept im Prinzip steht, wäre vergleichsweise schnell einführenbar und somit ein sichtbares Zeichen der Koalition an die Landwirte.

FDP-Agrarexperte Gero Hocker betonte: „In der Koalition sind wir uns einig, dass es nun an der Zeit ist, Landwirten zügig mehr Handlungsspielräume zu geben und sie von einengender Regulierung und Bürokratie zu befreien. Die Vorgängerregierung versprach der Landwirtschaft viel, regierte aber kleinteilig in die Betriebe hinein und verschlechterte dadurch die wirtschaftliche Situation.“

Fachpolitiker von Grünen und SPD hatten bereits in der Vergangenheit Zustimmung zu dem Konzept der Tierwohl-Kommission signalisiert, den Stallumbau durch zusätzliche Abgaben zu finanzieren. Die Tierwohlabgabe sei aus ihrer Sicht systematisch sinnvoll. Es handele sich um – für den einzelnen Verbraucher – vergleichsweise kleine Aufschläge. Die Kommission hatte etwa 40 Cent je Kilo genannt.

Allerdings würde eine zusätzliche Steuer eher mehr Bürokratie mit sich bringen. Eine Alternative wäre daher die Anhebung der Mehrwertsteuer (MwSt.) auf Fleisch, das bisher im Handel mit dem reduzierten Satz von sieben Prozent belegt ist. Gutachten legen nahe, dass eine Erhöhung der MwSt. der bürokratieärmste Weg wäre.

Laut der Vorlage wurde das Landwirtschaftsministerium von den stellvertretenden Fraktionschefs aller drei Ampel-Fraktionen aufgefordert, die Fleischsteuer zu prüfen. Die konkrete Ausgestaltung fällt jedoch in die Zuständigkeit des Finanzministeriums unter Christian Lindner (FDP).

Das Finanzministerium verwies auf ein Interview, in dem sich Lindner kürzlich eher skeptisch äußerte. Es müssen noch europarechtliche Fragen geklärt werden. Ob die Steuer also im Sommer tatsächlich Teil des Angebots sein wird, das die Ampel den Landwirten machen will, ist daher ungewiss. Selbst wenn eine Fleischsteuer eingeführt wird, soll ihre Wirkung laut dem Papier nach spätestens fünf Jahren überprüft werden. Schließlich könnte sie im für die Bauern ungünstigsten Fall die ohnehin sinkende Nachfrage nach Fleisch weiter dämpfen und letztlich den Marktpreis drücken – zulasten der Landwirte, die eigentlich profitieren können.

Die bereits im 18. Jahrhundert eingeführte Kaffeesteuer gibt es nur in wenigen EU-Ländern, darunter Deutschland. Sie ist nicht harmonisiert und kann in Eigenregie der Mitgliedstaaten erhoben werden. Derzeit liegt sie bei 2,19 Euro je Kilogramm Kaffee und wird vom Zoll erhoben (Quelle: Welt.de).