Thomas Engst

Es ist mal wieder Zeit, diese Kategorie im Blog zu füllen. Viel zu lange wurde der Salzländer Kulturstempel pausiert. Nun hatte ich aber an dem vergangenen Wochenende endlich wieder Gelegenheit dazu, den Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt zu erkunden und möchte euch wieder ein paar der Stationen vorstellen. Den Anfang macht der Roland in dem Städtchen Calbe an der Saale.

Eine der vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt befindet sich in zentraler Lage auf dem Marktplatz. Direkt am Rathaus thront, auf einem Sockel, der über vier Meter große Roland. Dieser imposante Schutzpatron der Stadt wacht noch heute über Calbe/Saale und blickt dabei auf eine bewegte Geschichte zurück.

Die heute zu bestaunende Staue ist leider nicht mehr die originale Darstellung des Rolands. Im Laufe der Geschichte gab es insgesamt drei verschiedene Bildnisse, welche zur jeweiligen Zeit eine große Bedeutung für die Stadt und ihre Bewohner besaß.

Der Roland von Calbe/Saale ist das Wahrzeichen sowie der Schutzpatron der Stadt.

Wann der erste Roland aufgestellt wurde, ist heute nicht mehr bekannt. Die erste urkundliche Erwähnung findet die Statue in einer Rechnung des Jahres 1382 für 1381. Damals nahm man ihn von seinem Standplatz auf dem Alten Markt herunter, um ihn vor dem fünf Jahre zuvor fertiggestellten neuen Rathaus Calbe zu postieren. Da wohl niemand einen Roland vor einem alten Ratsgebäude aufstellt, um ihn dann doch noch vor das bereits vorhandene neue Rathaus zu stellen, muss er schon vor 1376 existiert haben.

1656 bekam der Magdeburger Bildhauer Gottfried Gigas den Auftrag, eine neue Statue zu fertigen, weil der alte Roland zu zerfallen drohte. Auch diesmal wurde er farbig gestaltet, wie es in einer Chronik von Johann Heinrich Hävecker zu lesen ist. Er galt als “übel proportionierte Figur”.

Der Salzländer Kulturstempel führt an interessante Orte im Salzlandkreis von Sachsen-Anhalt. Die knallroten Kästen stechen sofort ins Auge.

Dass die Bürger Calbes an eine neue, riesenhafte Rolandfigur ausgerechnet sechs Jahre nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg dachten, zeugt davon, welche Bedeutung sie dem Standbild beimaßen. Es war wohl für sie ein Symbol althergebrachter städtischer Prosperität und ein Ansporn, die ursprüngliche Blüte Calbes mit vereinten Kräften so rasch wie möglich wiederherzustellen. Zugleich besaß die Roland-Neuerrichtung in einer Zeit des totalen Zusammenbruchs der Zentralgewalt, als sich die Territorialfürsten um Konsolidierung ihres kleinstaatlichen Absolutismus bemühten, eine gewisse politische Sprengkraft und war eine Herausforderung. Der neue Roland war über vier Meter hoch und aus einem Eichenstamm geschnitzt worden.

Der nun einsetzende, zwei Jahre andauernde Streit zwischen der landesherrlichen Verwaltung und dem Magistrat ist symptomatisch für die neue Qualität der Sinnbildlichkeit des Rolands von Calbe. Die landesfürstlichen Beamten weigerten sich, die Aufstellung der neuen Figur zu genehmigen, weil sie darin, wohl zu Recht, ein Wiederaufleben der städtischen Autonomiebestrebungen erkannten. Zwei Jahre dauerte nun das Gerangel zwischen den Beamten im Schloss und der Stadt um die Aufstellung der Figur, dann kam es 1658 zu einem Kompromiss, in dem beide Seiten versicherten, die bisher verankerten Rechte der Gegenpartei unangetastet zu lassen.

Der Roland von Calbe/Saale besteht aus Sandstein und ist über vier Meter hoch. Mittlerweile ist es die dritte Statue des Schutzpatrons der Stadt.

1875 brannte das Rathaus ab, die Rolandstatue aber blieb wegen der günstigen Windverhältnisse unversehrt. Nach dem Neubau des Rathauses verweigerte man dem Roland seinen angestammten Platz und lagerte ihn sieben Jahre in einer Scheune, bis man ihn an der Knabenvolksschule (Heinrich-Heine-Schule) aufstellte. An dieser Stelle verblieb er bis zur Tausendjahrfeier der Stadt Calbe 1936, als man ihn wieder vor dem Rathaus platzierte. Wegen der Gefahr von Bombenangriffen während des Zweiten Weltkrieges brachte man den Roland in der Fahnenhalle des Bismarckturms auf dem Wartenberg in Sicherheit. Dort fand er in der Nachkriegszeit sein Schicksal als Brennholz.

Als es den Calbensern in den 1960er Jahren wieder wirtschaftlich besser ging, wollten sie auch ihre alte Symbolfigur wiederhaben. Aber erst mit der veränderten DDR-Geschichtsrezeption seit 1973 wurde die Aufstellung einer Replik genehmigt. 1976 konnte ein vom Bildhauer Eberhard Glöss in Anlehnung an die Figur von 1656 geschaffener, viereinhalb Meter hoher Sandstein-Roland enthüllt werden.

Wie auch sein barocker Vorgänger, dessen nahezu getreue Nachbildung er ist, hält er in der rechten Hand ein aufrecht stehendes Schwert und in der linken einen Schild mit dem Wappen von Calbe. Auf dem Kopf trägt der 4,50 m hohe Roland einen Helm, was bei den noch vorhandenen Rolanden selten, nur achtmal, vorkommt.