Thomas Engst

Es gibt Arten, die weichen stark von der Norm ab. Andere Zungen behuapten, sie haben sich etwas einfallen lassen und setzen sich von der Masse ab. Die Gewöhnliche Haselwurz (Asarum europaeum) macht dies mit einer ausgeklügelten Blütenökologie und fährt damit ausgesprochen gut. Diese Besonderheit der Art ist Grund genug, sie heute einmal näher zu betrachten.

Asarum europaeum wächst als immergrüne, ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von nur 5 bis 10 Zentimetern und ist hochgiftig. Alle ihre Pflanzenteile sind toxisch und sollten daher nicht verzehrt werden. Sie bildet ein Rhizom als Überdauerungsorgan. Die oberirdischen Pflanzenteile sind dicht behaart. Alle Pflanzenteile riechen intensiv nach Pfeffer. Die Sprossachse ist kriechend, mit zwei bis drei bräunlichgrünen Niederblättern. Die zwei immergrünen, lang gestielten Laubblätter besitzen eine einfache, rundliche bis nierenförmige oder herzförmige Blattspreite, die auf der Oberseite meist glänzend, während die Unterseite meist behaart ist.

Asarum europaeum

Die einzeln unmittelbar in Bodennähe stehenden Blüten sind krugförmig und braunrot mit drei Zipfeln. Die Blütenhülle besteht aus drei verwachsenen, braunpurpurnen Blütenhüllblättern. Sie riechen intensiv nach Pfeffer. Sie besitzt zwölf, in zwei Kreisen gegliederte Staubblätter. Der Fruchtknoten ist unterständig. Die protogynen (vorweiblichen) Blüten bestäuben sich oft selbst. Es kommt aber auch Fremdbestäubung vor, sie erfolgt durch Insekten. Die sechs Griffel sind zu einer dicken Griffelsäule verwachsen, die an ihrer Spitze eine sechsstrahlige Narbe trägt. Die Narbe reift vor den Staubblättern, die in der noch nicht völlig geöffneten Blüte weit nach unten gebogen sind und fast den Blütenboden berühren. In diesem Stadium steht die Narbe frei da. Zunächst richten sich die Staubblätter des inneren Kreises auf und schmiegen sich dicht an die Narbe stets zwischen je zwei Lappen an, wobei leicht Selbstbestäubung eintreten kann. Später biegen sich auch die äußeren kleinen Staubblätter auf und fügen sich unterhalb der Narbenlappen zwischen die größeren Staubblätter ein. Die jetzt erreichte männliche Phase der Blüte bewirkt deren volle Öffnung und ihre Perigonzipfel neigen sich nach außen. Die Blüten täuschen gewisse Merkmale von Pilzen vor und locken Pilzmücken an, die für die Bestäubung sorgen (Blütenökologisch werden sie deshalb „Fliegen-Täuschblumen“ genannt). Die Blütezeit reicht von März bis Mai. Die sechsklappigen Kapselfrüchte reifen im Juni und streuen im Juli bis August die Samen aus. Die Samen tragen Elaiosomen und werden von Ameisen verbreitet (Myrmekochorie).

Asarum eropaeum

Das Verbreitungsgebiet umfasst Eurasien mit kontinentaler Tendenz bis Sibirien. In Europa reichen die Areale von Südskandinavien bis Südfrankreich, Mittelitalien und Griechenland. Als Standort werden Laubwälder und Gebüsche, Au- und Schluchtwälder auf vor allem kalkhaltigen, feuchten Böden bevorzugt. Genauer sind es krautreiche Laub- und Nadelmischwälder, besonders Mull-Buchenwälder auf Braunerden. Außerdem gedeihen sie in Haselstrauchhecken sowie Schlucht- und Auwäldern. Der Boden soll frisch bis feucht, nährstoffreich und meist kalkhaltig sein. Die Gewöhnliche Haselwurz ist ein Lehm- und Feuchtigkeitsanzeiger.

Asarum europaeum braucht kalkhaltigen nährstoffreichen und eher feuchten als trockenen Lehm- oder Tonboden mit einer ausgeprägten Mullauflage. Sie trägt selbst zur Lockerung des Bodens bei. Sie besiedelt Laub- und Mischwälder, sie geht aber auch in Auenwälder und in Nadelforste. Sie ist eine Fagetalia-Ordnungscharakterart. In Mitteleuropa tritt sie zerstreut auf, sie kommt aber an ihren Standorten oft in ausgedehnten, meist lockeren, aber in individuenreichen Beständen vor. Große „Nester“ können mehrere Quadratmeter bedecken.

Asarum europaeum