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Das Thema Insektensterben ist doch noch nicht wieder in der Versenkung verschwunden. Da hatte ich letztens einen Falschen Eindruck. Gestern Abend stieß ich in meiner Twitter Timeline auf eine interessante weil ungewohnte Diskussion. Ein ebenfalls im Naturschutz engagierter User verlinkte einen Beitrag, der die These in den Raum stellt, dass der heutige Naturschutz eine Mitschuld an der Misere habe.
Naturschutz schuldig am Insektensterben?
Verfasst hat den Vortrag Werner Kunz der Uni Düsseldorf. Da ich den guten Mann leider nicht kenne und bei dem Vortrag an sich nicht dabei war, kann ich mir nur ein Bild dessen anhand der Folien machen.
Diese sind in meinen Augen etwas zwiespältig. Manchen seiner Thesen kann ich Recht geben. Der Naturschutz konzentriert sich zu sehr auf Schutzgebiete, gefährdete Arten und Prestigeobjekte.
Dies ist einerseits dem Einwerben von Geldern geschuldet, andererseits kommt es der öffentlichen Wahrnehmung nur so vor. Ebenfalls hat er recht, wenn es heißt, der Naturschutz pflegt manche Flächen kaputt.
Andernfalls macht er es sich aber auch sehr einfach indem er den modernen Naturschutz nur auf die Ausweisung von Schutzgebieten bezieht und die vielfältigen Arbeiten in der Landschaft unter den Tisch fallen lässt.
Ich möchte aber an dieser Stelle nicht so sehr in das Bewerten abdriften, vielmehr interessiert mich eure Meinung. Ist der Naturschutz in seiner aktuellen Form am Artensterben mitschuldig oder zumindest beteiligt?
8. Juli 2021 um 5:15 pm Uhr
Hallo,
schützen Umwelt-/Naturschutzgesetze die Umwelt oder Natur?
Wieso beklagen wir Diversitätsverlust?
Schützen Denkmalschutzgesetze die Denkmale?
Schützt Gartendenkmalschutz Gartendenkmale?
Bodenschutz, Wasserschutz, Baumschutz, Pflanzenschutz, Arbeitsschutz, Tierschutz? …. Menschenschutz?
Wer oder was schützt hier die oder das?
LG
Ralf
10. November 2017 um 3:54 am Uhr
Das möge es in der Tat geben, aber ist zu pauschal dargestellt. Als Beispiel sei der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) und die von ihm unterstützte Initiative “Pro Baum” benannt. Beide Organisationen setzen sich für den Schutz, den Erhalt und die Entwicklung von Umwelt, Natur und Landschaft ein, unabhängig davon ob es Schutzgebiete sind oder nicht. Gerade die Gesamtheit, die Vernetzung und die Vielfalt sind entscheidend. Ein vorrangiges Schielen nach Fördermitteln ist dafür der falsche Ansatz.
10. November 2017 um 6:43 am Uhr
Hallo Andreas,
vielen Dank für deinen Beitrag. Das Schielen nach Fördergeldern ist leider traurige Realität. Der Naturschutz “verdient” kein eigenes Geld und ist daher auf die Förderung und Drittmittel angewiesen. Eine Steuer für Naturshcutz bzw. eine Naturschutz-Abgabe wäre eine interessante Alternative. Da dies aber in absehbarer Zeit nicht kommen wird, müssen anderweitig Gelder eingeworben werden. Nehmen wird als aktuelles Beispiel ELER (ich weiß, ELER und Naturschutz funktionieren nicht). Möchte mann eine 100%-ige Förderung erreichen, braucht es einen hohen Punktewert. Dieser wiederum wird nur erreicht, wenn diverse Schlagwörter im Projektantrag zu finden sind. Aktuell muss ein FFH-Bezug bestehen. Daher werden Projektanträge schon so geschrieben, dass sie eine möglichst hohe Wertung erzielen. In der Folge wird sich (erneut) auf wenige ausgewählte Arten konzentriert. Nicht umsonst behaupte ich in meinen Vorträgen immer, dass es der Biodiversität in Schutzgebieten etc. ausgezeichnet gehe aber im Offenland stirbt uns die Artenvielfalt unter den Händen weg.
Sollte der AHA seine Projektanträge losgelöst von solch monetären Dingen schreiben, ist er in meinem Umfeld eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen.
VG,
Thomas
10. November 2017 um 11:30 pm Uhr
Danke für deine Zeilen lieber Thomas. Der AHA finanziert sich hauptsächlich auf der Basis von Beiträgen und Spenden. Finanzielle Förderungen haben wir bisher für die Erfassung am Ellerbach um Bad Dürrenberg mit Kindern und Jugendlichen, für die Umweltbibliothek in Merseburg und eine Streuobstwiese in Dessau-Roßlau beantragt und bewilligt bekommen. Wir sehen im Schutz und Erhalt von Umwelt, Natur und Landschaft eine vorrangige Verantwortung aller Menschen und im Detail auch beim Staat und den Kommunen.
9. November 2017 um 5:48 pm Uhr
Da so gut wie alles nur noch maschinell gepflegt wird ist dieser Vorwurf sicher nicht falsch. Die Frage ist in welchem Umfang der amtliche Naturschutz den Arten den Rest gibt, da das einigermaßen schützenswerte Restvorkommen in der Regel durch den Naturschutz verwaltet wird, ist zumindest auf diesen übrig geblieben Flächen der Naturschutz hoch veranwortlich. Für 90% der Flächen ist er es natürlich nicht. Was endlich notwendig wäre ist Dynamik in der Fläche wieder zuzulassen. Hochwasser, Sturm, Feuer und große Weidetiere auf großen Flächen . Leider ist das aber in unserer bürokratisierten Natur sehr schwierig umsetzbar, denn einerseits könnten dadurch wieder Lebensraumtypen der FFH-Richtlinei verändert werden oder man kann unter das Pflegeziel am Ende des Jahres keinen Haken machen, weil es ganz anders aussieht als eine gemähte Fläche. Die Risikobereitschaft im amtlichen Naturschutz geht gegen null, daher ist dem Artensterben mit dieser Bürokratie auch im Naturschutz nichts entgegenzusetzen. Und wenn eben nur noch gemäht wird, dann geht ein Großteil der Insekten, Spinnen, Vögel, Kleinsäuger,.. aufgrund totalem und sehr schnell eintretendem Nahrungsentzug auf großer Fläche eben verloren.
10. November 2017 um 6:54 am Uhr
Hallo Carsten,
vielen Dank für deinen Kommentar und die erübrigte Zeit. Gerade in den Offenlandlebensräumen befindet sich die Artenvieflalt im freien Fall. Gerade auf Restflächen befindet sich noch ein sehr wertvolles Arteninventar. Zufällig arbeite ich aktuell in einem slchen Projekt, was sich die Aufgabe gestellt hat, die Artenviefalt von Rest-/Marginalflächen zu bewahren. Die von dir angesprochene Dynamik wäre in der tat ein Segen für manche Bereiche der Landschaft. Kritisch sei gesagt, dass der Naturschutz zuweilen gerne vergisst, dass die meiste Artenviefalt erst duch den Menschen und seine Nutzung entstanden ist. Nehmen wir die Trocken- und Steppenrasen Mitteleuropas. Noch vor 100 Jahren sah die Landschaft durch die intenisve Beweidung aus wie geleckt. Tridt, Tritt und Fraß haben ware Oasen der Biodiversität geschaffen. Allerdings ist so eine natüriche Dynamik sehr schwer realisierbar. In Deutschland gibt es kein Prinzip “shit happens” und es muss alles abgesichert oder geregelt sein. Andere Länder machen es sich da erheblich einfacher.
Die FFH-Richtlinie ist für uns im Naturschutz ein wichtges Werkzeug bzw. eine große Hilfe. Allerdings ist sie nun schon 25 Jahre alt. Eine Anpassung an heutige Gegebenheiten wird schon länger gefordert. Bspw. gehören Quellen unbedingt in den Anhang I. Vielleicht wird es ja in den kommenden vier Jahren etwas…
Zum Mähen: Ich wohne in einer Gegend die historisch aktiv und intensiv beweidet wurde. Dadurch sind mannigfaltige Bereiche mit einer heterogenen Flora und Fauna entstadnen. Allerdings lohnt sich die Schäferei für viele Akteure nicht mal mehr im Zweitberuf. In meiner Region, dem Saaletal in Sachsen-Anhalt, fallen demnächst 140 Trockenrasen brach, da keine Beweidung mehr stattfindet. Den Harz mit seinen Bergwiesen 8LRT 6520) trifft es auf 200 Flächen. Schäferei ist nach wie vor ein wichtiger Teil der Landschaftspflebe (ein grausiger Begriff oder?), wird aber keineswegs annerkannt.
LG,
Thomas