Thomas Engst

Ich wandere nun schon seit einiger Zeit durch den Harz und kenne Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge ganz gut. Was mir auf meinen Ausflügen aber immer häufiger ins Auge sticht, sind die unzähligen Hektar an abgestorbenen Bäumen. Entweder wurden sie durch die Stürme der letzten Zeit umgeworfen oder, und das ist scheinbar der größere Teil, sie stehen noch aufrecht aber sie sind bereits tot. Grund für diese dramatische Entwicklung ist ein kleiner Schädling, der in der Forstwirtschaft für ordentliche Probleme sorgt. Die Rede ist vom Buchdrucker (Ips typographus), einer Unterart der Borkenkäfer. Dieser auch großer achtzähniger Buchdrucker genannte Schädling befällt in großen Teilen die Fichtenbestände im Harz. Seine deutscher Trivialname stammt von den Larvengängen des Käfers, deren Aufsicht geschnittenen Lettern ähnelt. Jede Flügeldecke ist am Rand des Absturzes mit vier Zähnen besetzt, also insgesamt acht, daher der ebenfalls verbreitete zweite Name. Der Buchdrucker befällt vor allem Fichten, vorzugsweise die Gemeine Fichte (Picea abies), aber auch Lärchen (Larix), Douglasien (Pseudotsuga), Weymouthskiefer (Pinus strobus), Schwarzkiefer (Pinus nigra) und Weißtanne (Abies alba). Normalerweise kann die Fichte durch die Absonderung von – durchaus auch toxisch wirksamem – Harz Insekten abwehren. Ist sie aber in irgendeiner Form geschwächt, kann sie durch relativ wenige Borkenkäfer überwältigt werden. Derartige Brutherde dienen bei geeigneter Witterung (optimal: trocken, heiß, windstill) als Ausgangspunkt für eine Massenvermehrung, der dann, unabhängig von ihrer Vitalität, ganze Bestände zum Opfer fallen können.

Fraßsspuren des Borkenkäfers.

Den Befall von Borkenkäfern gibt es schon seit geraumer Zeit. Allerdings starben die Larven in früheren Wintern aufgrund der kalten Temperaturen ab und konnten sich nicht so massenhaft ausbreiten. Auch das Pflanzen von riesigen Monokulturen begünstigt die Schädlingspopulation. Wie aber gelingt es dem Käfer ganze Waldbestände zu infizieren und zu schädigen?

Nötig ist eine erhöhte Konzentration von Ips typographus. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Duftstoffe. Zunächst werden kränkelnde Fichten nach deren Geruch angeflogen, es folgt das „Einbohren“ (an sich ein „Einfressen“) zur Anlage von Brutsystemen. Die Fichte wehrt sich durch klebrigen und giftigen Harzfluss, dem die ersten Angreifer zum Opfer fallen. Die Fichtenborkenkäfer wandeln Harzinhaltsstoffe aber in Duftstoffe um. Dies steigert die Attraktivität des Baumes, was wiederum eine erhöhte Angriffsintensität zur Folge hat. Steigt diese über die Widerstandsfähigkeit der Fichte, werden die ersten Brutsysteme bei weiterer Abgabe von Lockstoffen angelegt. Neben der weiteren Besiedlung des Brutherdes erfolgt der Übergriff auf die Nachbarbäume. Bei Überbesiedelung wird auch dieses per Duft gemeldet. Dieses kleine, schwache Insekt verfügt also über eine ausgefeilte Strategie zur Überwältigung eines für das einzelne Individuum übermächtigen Gegners. Die Käfer können (je nach Witterung) bis zu drei Kilometer weit aktiv fliegen, durch den Wind aber auch über erheblich weitere Strecken verweht werden.

Tote Fichten im Harz.

Als erstes sichtbares Symptom können in der Folge des Einbohrens Harztröpfchen austreten, die manchmal auch zu schwachen Harzbahnen werden. Nicht immer sind die Harztröpfchen oder -bahnen sichtbar, so dass sie kein notwendiges Merkmal sind. Spechte können den Befall bemerken und nach den Käfern und den Larven suchen. Dabei schlagen sie Teile der Borke ab. Dadurch leuchtet die vormals graue Rinde rot, oder wenn die Rinde bis auf das Holz abgeschlagen wurde, leuchten die Stämme weiß. Die abgeschlagene Rindenstücke findet man unter den befallenen Bäumen. Durch die Unterbrechung des Saftstromes werden meistens die Nadeln in der Krone befallener Bäume von unten nach oben rot. Die roten Kronen sind weithin sichtbar. Bei guter Wasserversorgung oder in der vegetationsfreien Zeit fallen auch grüne Nadeln vom Baum ab. Diese finden sich dann massenhaft unter den befallenen Bäumen. Auch das hörbare Rieseln der Nadeln kann ein Hinweis auf den Befall sein. Die Waldwirtschaft steht durch die immensen Verluste vor riesigen Problemen. Käferholz kann an sich nur noch für Hackschnitzel verwendet werden und verliert nahezu vollständig an Wert. Was aber tun? Die aus meiner Sicht effektivste Methode gegen den Borkenkäfer ist der Umbau des Waldes hin zu einem naturnahen Mischbestand aus Laub- und Nadelbäumen. Wenn es nach mir gänge, könnten die Nadelbäume auch entfallen. Diese sind oftmals standortfremd und stehen den Eichen, Buchen und Hainbuchen im Weg. Hier sollte also ein Umdenken stattfinden. In großen Teilen des Landes geschieht dieser Waldumbau bereits, nur wird es Jahrzehnte dauern bis Resultate sichtbar sind. In der Zwischenzeit bleibt uns nur ein toter Forst zum Durchwandern.