- Mit Brachflächen gegen das Artensterben in der Landwirtschaft - 23. August 2024
- Was bleibt vom Volksbegehren “Rettet die Bienen”? - 9. August 2024
- [Buchtipp] “Naturkalender 2025 – Illustrationen von Christoph Schmidt” - 17. Juli 2024
Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Zu langsam um in vielen Bereichen wirksam zu sein. Einen solchen Fall zeigt derzeit das Bundesumweltministerium. Es hat nun begriffen, dass ein weltweit funktionierender Naturschutz ein, wenn nicht sogar das valide Mittel gegen Pandemien ist. Dabei ist aus meiner Sicht darauf zu achten, dass das Verhältnis zwischen Grundlagenforschung und praxisnahen (und nicht zwingend innovativen) Maßnahmen ausgewogen sein sollte. Zielführender wäre ein eigener Etat für die Naturschutzaufgaben der Länder. Der NABU hat dazu mal eine Summe von 15 Mrd.€ / Jahr in den Ring geworfen. Mit dieser Summe, bspw. aus dem EU-Haushalt, könnten alle (!) Mitgliedsstaaten ihr Aufgaben zum Erhalt wildlebender Tier- und Pflanzenarten sowie der Landschaft erfüllen. klingt gewaltig, ist aber im Hinblick auf den gesundheitlichen, mentalen und ethischen Gewinn durchaus vertretbar.
Der genaue Wortlaut der Pressemeldung klingt so:
Mit zunehmender Naturzerstörung steigt das Risiko von Krankheitsausbrüchen bis hin zu Pandemien. Daher ist ein engagierter Naturschutz in vielen Weltregionen ein wichtiger Schlüssel, um neuen Infektionskrankheiten vorzubeugen. Auf diesen Zusammenhang hat heute Bundesumweltministerin Svenja Schulze zusammen mit renommierten Wissenschaftlern in der Bundespressekonferenz hingewiesen.
Der genaue Übertragungsweg des neuartigen Coronavirus vom Tier auf den Menschen ist noch nicht abschließend erforscht. Gut belegt ist aber, dass circa 70 Prozent der menschlichen Infektionserreger ursprünglich aus dem Tierreich stammen, darunter Humane Immundefizienz-Virus (HIV), Ebola, Influenza, Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS) und Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom (SARS). Besonders offenkundig ist die Gefahr von Übertragungen auf Wildtiermärkten, wo Menschen und unterschiedliche Tierarten auf engstem Raum zusammenkommen und die Tiere zusammengepfercht und unter hygienisch unhaltbaren Zuständen verwahrt werden. Viel grundlegender ist nach Ansicht der Wissenschaftler, dass die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen wahrscheinlicher wird, wenn Ökosysteme durch menschliche Eingriffe aus dem Gleichgewicht geraten.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: “Jetzt ist die Zeit für akute Krisenbekämpfung. Aber es wird eine Zeit nach der Pandemie geben. Spätestens dann sollten wir die Ursachen dieser Krise verstanden haben, um für die Zukunft besser vorbeugen zu können. Die Wissenschaft sagt uns, dass die Zerstörung von Ökosystemen Krankheitsausbrüche bis hin zu Pandemien wahrscheinlicher macht. Das zeigt: Die Naturzerstörung ist die Krise hinter der Coronakrise. Umgekehrt gilt: Gute Naturschutzpolitik, die vielfältige Ökosysteme schützt, ist eine wichtige Gesundheitsvorsorge gegen die Entstehung neuer Krankheiten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Weltbiodiversitätsrat den globalen Wissensstand zu diesen Fragen sammelt, aufarbeitet und der Politik weltweit zur Verfügung stellt. Denn die Weltgemeinschaft hat nach der Pandemie die Chance, eine neue globale Biodiversitätsstrategie zu beschließen – und so zu zeigen, dass sie aus den Pandemien der Vergangenheit gelernt hat.”
Dr. Sandra Junglen, Leiterin der Arbeitsgruppe “Ökologie neuartiger Arboviren” am Institut für Virologie, Charité Universitätsmedizin Berlin: “Die Entstehung zahlreicher Krankheiten kann mit dem Vordringen des Menschen in vormals unberührte Natur erklärt werden. Intensive Landnutzung, die Verbreitung von Monokulturen oder Rodungen von Wäldern führen zu einem Verlust der Artenvielfalt und verändern die Zusammensetzung der Säugetierpopulationen. Weniger Artenvielfalt bedeutet mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum. Wenn das Ökosystem derart aus dem Gleichgewicht gerät, können sich Infektionskrankheiten besser verbreiten. Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme können vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten schützen.”
Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Ko-Vorsitzender Globaler Bericht des Weltbiodiversitätsrats: “Der weltweite Stand der Wissenschaft ist trotz offener Fragen eindeutig: Der Erhalt intakter Ökosysteme und ihrer typischen Biodiversität kann das Auftreten infektiöser Krankheiten generell reduzieren. Wir Menschen sind von funktionierenden, vielfältigen Ökosystemen abhängig. Mit der Zerstörung von Ökosystemen zerstören wir auch unsere Lebensgrundlage wie die Corona-Epidemie zeigt. Darum müssen wir uns gemeinsam für einen transformativen Wandel unserer Gesellschaft zum Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Die Kernelemente eines solchen Wandels stellt der globale Bericht des Weltbiodiversitätsrats heraus. Es geht um nicht weniger als eine grundlegende, systemweite Reorganisation über technologische, wirtschaftliche und soziale Faktoren hinweg, einschließlich Paradigmen, Zielen und Werten.”
Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für das Thema biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. IPBES ist vergleichbar mit seiner älteren Schwester, dem Weltklimarat IPCC für das Klima.
4. April 2020 um 10:34 am Uhr
Leider haben sich weder Svenja Schulze noch ihre Vorgängerin, um den Natur- und Artenschutz verdient gemacht. Vielmehr haben sie den Artenschutz für privatwirtschaftliche Interessen geopfert. So hat die Bundesregierung auf Drängen der Windkraftlobby 2017 ein Gesetz beschlossen, wonach das Töten geschützter Arten in bestimmtem Umfang erlaubt ist. Der Gesetzesentwurf wurde dabei geradezu handstreichartig ins Parlament eingebracht: Die Naturschutzverbände bekamen Ende 2016, kurz vor Weihnachten, gerade einmal 14 Tage Zeit, um dazu Stellung zu nehmen. Die „zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“, die laut Gesetzestext ein Absehen vom Artenschutz erlauben, werden in der überarbeiteten Fassung ausdrücklich auf „Vorhaben privater Träger“ ausgedehnt, sofern „öffentliche Belange ihre Realisierung erfordern“ (vgl. Bundesna-turschutzgesetz, § 45, Abs. 7). Was damit gemeint ist, erläutert der Nachsatz: „Zu diesen Belangen gehört der Ausbau der Erneuerbaren Energien“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Tier- und Naturschutz privatwirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Abgesehen davon, dass seit Einführung des EEG sich kein maßgeblicher Rückgang der CO2-Emmissionen ergeben hat, werden auch weiter munter WKA in zuvor streng geschüzte Vogel- und Landschaftschutzgebiete gebaut. Aus den von Schulze angesprochenen „Weltregionen“ ist wohl Deutschland ausdrücklich ausgenommen, Hier ist nämlich die Windkraftlobby dabei, den Arten- und Naturschutz noch weiter einzuschränken, damit ihre Geschäftsidee nicht gefährdet wird. Das Argument: Wir zerstören die Natur, rotten ganze Tierarten,wie seltene Fledermäuse und Zug- und Greifvögel, aus, um die Natur durch einen eventuellen Klimaschutz zu retten. Wir retten also durch einen „Klimaschutz“ (der bislang keinerlei Einfluss auf die Eindämmung des weltweiten Klimawandels hatte) die Natur, die wir vorher aber schon zubetoniert und plattgemacht haben. Naturschutz, der den Namen verdient sieht anders aus: Er schützt die Natur!- Was hierzulande unter dem Label „Umweltschutz“ passiert, ist nichts anderes als eine andere Form von Wachstumsideologie auf Kosten der Natur und ihrer Geschöpfe!
4. April 2020 um 8:15 pm Uhr
Hallo Ilka, vielen Dank für deinen Kommentar und die dafür erübrigte Zeit.
Du sprichst in deinen Zeilen jede Menge Punkte an, die ich nachvollziehen kann. Mir ist schon bewusst, dass alles, was in diesen Tagen politisch zu dem Thema Naturschutz gesagt wird, ganz besonders kritisch beäugt werden muss. Dennoch habe ich die naive Hoffnung, dass zumindest ein kleines Umdenken in den politischen Etagen stattfindet.
Allerdings muss ich die Kritik an der Windernergie etwas entkräften. Sofern die meisten Häuser keine eigene Wind-oder Solarenergieanlage haben, um weitestgehend autark zu sein, muss die Frage geklärt werden, woher Energie bezogen werden soll.
VG