Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Ramona Schüler (Kultur-und Heimatverein Oberstadt e.V. und die BI „Gegenwind“).

„Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.“  LAOTSE , so empfängt  man den Leser auf den Seiten des Vereins für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität e.V. Weiterhin heißt es, dass sie sich aktiv für den Erhalt und den Schutz der Kulturlandschaften und Wälder , einschließlich der Lebensvielfalt einsetzen, da ein Großteil der Landesfläche Deutschlands bereits biologisch verarmt und durch Verkehrswege, Siedlungs- und Industriegebiete, Agrarflächen, Wind-und Solaranlagen be-und überbaut, versiegelt und zerschnitten sind. Sie übernehmen Verantwortung für die Natur !

Welch` unmissverständliche Botschaft. Aber nicht nur in Bayern ist man sich des besorgniserregenden Artensterbens bewusst, sondern auch der Kultur-und Heimatverein Oberstadt e.V. versucht den Wert von Landschaft und Kulturdenkmälern mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Denn, wer hätte es gedacht, dass unsere Heimat und Region doch einmal so in Bedrängnis geraten würde, fernab der bekannten Routen des Rennsteigs und der Kulturregion Erfurt, Weimar und Jena. Wer hätte es gedacht, dass dieses landschaftlich einzigartige und schützenswerte Gebiet, sich doch so windarm wie gehabt, eignen könnte für Windvorranggebiete W6 und W7.

Wer hätte es gedacht, dass es vor bereits 30 Jahren einmal zu einem großflächigen LSG ausgewiesen werden sollte und die Landkreise Suhl und Hildburghausen zumindest eine zeitweise Unterschutzstellung beantragten. Diese jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Wer hätte es gedacht, dass im Juni 2019 der Startschuss für eine unglaubliche Unterschriftenaktion während der symbolischen Waldumarmung erfolgte, die über 3000 Menschen unterzeichneten, als Grundlage für die Petition  Landschaftsschutzgebiet „Kleiner Thüringer Wald und Umland“.

Wer hätte es gedacht, dass man eine Delegation unserer Region im Januar 2020 im Thüringer Landtag empfangen würde, um im Beisein des ZDF mit den Petitionsausschussmitgliedern diskutieren zu können und so die Petition und dessen Anliegen zu erläutern. Und auch im Juni 2021 hätte Niemand gedacht, dass wir den „Kleinen Thüringer Wald“ im Thüringer Landtag so authentisch darbieten und mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln um die Unterschutzstellung bitten würden, so dass die Landtagsabgeordneten gemeinsam applaudierten und sich um Lösungsansätze bemühten. Seit Dezember 2021 steht der Prüfauftrag der Landesregierung an das Landesamt in Weimar. Im Januar 2023 soll es zu einer Beschlussfassung im Petitionsausschuss kommen.

Seitdem haben die VG der Feldsteingemeinden, die Stadt Schleusingen und die Stadt Suhl sich offiziell zur Ausweisung des „Kleinen Thüringer Waldes“ als Landschaftsschutzgebiet bekannt. Der Kreistag Hildburghausen hatte im Juni 2022 den entsprechenden Antrag in den Umweltausschuss verwiesen und dort abgelehnt, aber wer hätte das gedacht, dass am 14.12.2022 in einer öffentlichen Sitzung, dem Antrag zur Ausweisung zugestimmt wurde. Somit fordern alle kommunalen Stellen, über ihre verwaltungstechnischen Möglichkeiten, parallel zum Bürgerwillen, die Ausweisung des „KTW“ zum LSG. Und um das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu zitieren, in dem es heißt: „ …..Der Thüringer Gesetzgeber kann Waldgebiete aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege  Art 74 Abs 1 Nr 29 GG grundsätzlich durchaus unter Schutz stellen, wenn diese aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und schutzbedürftig sind und er könnte insoweit auch die Errichtung von Windenergieanlagen bei einem überwiegenden Schutzbedürfnis des Waldes ausschließen…“ 

Vielleicht  besinnt man sich in Thüringen doch seiner möglichen Gesetzgebungskompetenz …“den Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft zu erhalten und zu entwickeln .“ Der „ KTW „darf niemals ein Industriegebiet werden. Denn wer hätte das gedacht, dass man doch immer Etwas tun kann ! Nicht nur Schwarzstorch, Rotmilan, Wildkatze, Fledermäuse, diverse Insekten, Tiere und Pflanzen sind schützenswert, auch wir Menschen brauchen unseren Platz im gesunden Kreislauf der Natur. Und wer hätte es gedacht, dass fast 200 Staaten gerade jetzt auf der Weltnaturkonferenz im kanadischen Montreal ein neues Weltnaturabkommen verabschiedet haben und die Nationen sich dazu bekennen, die biologische Vielfalt zu erhalten und zu schützen.Das vorderste Ziel besteht darin, bis 2030, 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresflächen zu Schutzgebieten auszurufen.

Auch unsere Bundesumweltministerin Steffi Lemke will wortwörtlich…“ einen Schutzschirm für unsere Lebensgrundlagen aufspannen“. Da muss man sehr gespannt sein, wie diese öffentlich geäußerten Ambitionen auch auf nationaler Ebene Bestand haben. Denn man müsste Regelungen entwickeln, mit denen die Arten und die Biodiversität wirklich erhalten bleiben. Doch die müssten schnellstens umgesetzt und auch kontrolliert werden. Deutschland, so betont sie weiter, muss eine Nationale Biodiversitätsstrategie entwickeln, um wieder Vorbild zu sein.

Es ist Eile geboten, denn bereits die Hälfte aller Vogelarten verzeichnet Verluste, jede 8. Spezies ist mehr oder weniger vom Aussterben bedroht, in einer atemberaubenden und besorgniserregenden Geschwindigkeit vernichten wir Menschen unsere Vögel, die Gradmesser der Biodiversität und wir befinden uns im 6. Massensterben. Deshalb ist die Forderung nach mehr Flächen für den Naturschutz und den Erhalt unserer Lebensgrundlage vorrangig gegenüber aller grüner Ideologie. Der Klimaschutz darf nicht mehr weiter gegen den Arten-und Landschaftsschutz ausgespielt werden. Deshalb findet der Biologe Volker Moosbrugger auch Gehör durch und in der  „Frankfurter Erklärung“ , in der man eine grundlegende Wirtschaftsänderung fordert.

Es sollte eine Wirtschaftsordnung werden, die für die Nutzung der Natur angemessene Preise aufruft, eine Wirtschaft, die auch die Kosten abbildet, die durch dessen Verlust entstehen. Nicht vom Geld, sondern vom Naturschutz in großem Stil ist hier die Rede und von den Ökosystem-Dienstleistungen, von denen wir alle leben, die doppelt so viel wert sind, wie die gesamte volkswirtschaftliche Leistung, die wir global erbringen mit einem Bruttoinlandsprodukt von 96 Billionen US-Dollar. Denn dem gegenüber steht der Wert von 150-200 Billionen US-Dollar/pro Jahr, was die Natur erbringt. Deshalb brauchen wir Bienen, Insekten, Vögel und Fledermäuse. Und wir brauchen außerdem in Deutschland eine neue und überarbeitete naturschutzfachliche Bewertung. Die letzte Fassung vom Bundesamt für Naturschutz stammt aus dem Jahr 2011. Die Kernaussage hat aber heute immer noch ihre absolute Gültigkeit:….“ prägend wirkende Landschaftsmerkmale sind zu sichern, sodass die Eigenart der jeweiligen Landschaft mit ihrer spezifischen Arten-und Lebensraumausstattung erhalten bleibt.“

Dieses Hauptziel wurde auch in der Nationalen Strategie Deutschlands verankert , sogar mit der Forderung, den Anteil erhaltenswerter Kulturlandschaften noch zu erhöhen. Sollte man Lebensräume und unser aller Lebensgrundlagen nach schutzwürdig und schutzbedürftig kategorisieren, oder ist jetzt nicht ernsthaft und bedrohlich genug ? Bleiben es nur Floskeln oder wird endlich gehandelt ? So dass man bald sagen könnte, wer hätte es gedacht, dass man in Thüringen, in Deutschland und der Welt die einzig wahren Schritte eingeleitet hat, um das Leben in seiner Mannigfaltigkeit der Natur auf unserem einzigartigen Planeten zu bewahren und zu schützen.

Die Menschen, die Heimatverbundenen und Naturfreunde des „Kleinen Thüringer Waldes“ werden weiterhin gemeinsam dafür Sorge tragen und kämpfen, dass diese einzigartige Naturregion kein Industriegebiet, sondern ein Landschaftsschutzgebiet wird.