Gastbeitrag

Gastbeitrag von Jan Olschewski.

Das kann Kunst für den Insektenschutz leisten.

Naturschutz und Kunst, beide Themen sind glücklicherweise und zu Recht für viele Menschen ein Bestandteil der alltäglichen Lebenswelt. Zugegeben, diese Aussage ist doch recht allgemein und verkürzt, jedoch mit Sicherheit nicht falsch. In diesem Artikel soll es im Zusammenhang dieser beiden Bereiche um ein Annähern an eine spezifische Fragestellung gehen. Genauer gesagt möchte ich mich anhand einer persönlichen Perspektive mit der Frage auseinandersetzen, ob Kunst einen Beitrag zum Naturschutz leisten kann und wenn ja welchen, also den Wechselwirkungsbereich beider Themenbereiche ausloten. Bewusst möchte ich mich dabei in diesem Artikel nicht auf die mit kreativen Prozessen zusammenhängenden Aspekten wie Material- und Ressourcenumgang, geschweige denn Energie- und Ressourcenverbrauch von Kunstmessen, Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb konzentrieren. Diese Themen sind bereits an anderer Stelle Gegenstand einer (kontroversen) Auseinandersetzung (vgl. hier). Hier soll der Fokus auf einer inhaltlich kommunikativen Ebene der Kunst bzw. eines kreativen Prozesses liegen und in einen Bezug zu Naturschutz gesetzt werden. 

Kartoffelkäfer © Jan Olschewksi – Der Kartoffelkäfer steht in der Familie der Blattkäfer. Sein wissenschaftlicher Name Leptinotarsa decemlineata bedeutet in etwa “Zehnstreifiger Leichtfuß”.

Ich erinnere mich an einen Moment, als ich ein kleiner Junge war und mit meinem Großvater damals in seinem Selbstversorgerkartoffelfeld stand und er mir einen Kartoffelkäfer zeigte und sagte: „Junge, nur weil wir Menschen etwas zu einem Schädling erklären oder machen, heißt das noch lange nicht, dass dieses Geschöpf keine Berechtigung auf dieser Welt hat. Wir müssen Achtung vor allem Leben haben.“ Dieser Satz hat mich nachhaltig geprägt, sehr nachhaltig.

Dies war der Ausgangspunkt für eine Faszination für die Insektenwelt und vor allem das besondere Interesse an den „Underdogs“ unserer hiesigen Insektenwelt. Klar, der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) ist kein Tier, welches von uns als symphytisch erachtet wird. Als Neozoon und invasive Art hat er viele Schäden verursacht aber eines steht fest, wir Menschen sind für seine Verbreitung bzw. Invasion verantwortlich. Das macht ihn aber nicht minder „schön“! Zwar sind laut Helge May (NABU) nur 10% der fußfassenden nicht alteingesessenen Arten invasiv und „mehr oder weniger aggressiv in der Ausbreitung“ (vlg. hier) aber dies entschuldigt und verharmlost nicht die menschliche Verantwortung diesbezüglich und schließt den Wunsch und die Hoffnung mit ein, dass hier zukünftig hoffentlich umsichtiger und „vernünftiger“ agiert wird. Auch die gemeine Stubenfliege (Musca domestica) und Goldfliege (Lucilia sericata) sind nicht unbedingt die beliebtesten Mitlebewesen, auch wenn sie wiederum als alteingesessene Arten gelten. Schwirrend und nervend, auf Abfall und Exkremente zu finden, natürlich mit biologischer Berechtigung und Funktion bzw. Nutzen. Und auch sie sind faszinierend schön und nur mal so nebenbei zählen bestimmte Fliegenarten zu den wichtigsten Bestäubern nach den Bienen. Oder nehmen wir den Regenwurm (Lumbricus terrestris). Über seine Nützlichkeit für das Ökosystem müssen wir hier nicht lange sprechen. Dennoch beschleicht nicht wenige Mitmenschen ein gewisser „Ekel“ angesichts seiner „schleimigen“ und „erdverbundenen“ Lebensweise nebst der auf uns absonderlich wirkenden Eigenart von fünf Herzpaaren.

Wie wir oft erleben müssen, neigen wir Menschen zu irrationalen Bewertungen, auch über unsere insektoiden Freunde, die meist nicht den wahren Hintergrund, unsere eigene Verantwortlichkeiten oder in diesem Zusammenhang den objektiven Nutzen und Funktion in und für die Natur und damit uns selbst als Bestandteil dieser Natur Rechnung und Achtung tragen.

Und hier kommt die Kunst ins Spiel! Bzw. hier sollte die Kunst ins Spiel kommen. Es liegt mir fern an dieser Stelle eine ausführliche Abhandlung über Sinn und Zweck, Daseinsberechtigung und Aufgabe der Kunst en Detail zu referieren, jedoch ist eines klar. Kunst bildet ab, Kunst zeigt, Kunst produziert Frage- und Ausrufezeichen. Ein künstlerischer Prozess, der sich in unserem Alltag als Gedanke, als Erinnerung, als Objekt an der Wand oder von mir aus auch als dekorativer oder geschmacksorientierter Gegenstand manifestiert, eingeordnet oder wahrgenommen wird, hinterlässt eine Spur. Und dies auf bewusster oder unbewusster Ebene. Kunst kann also auch ein Instrument und ein Medium des Bewusstseins und des Bewusstmachens sein. Durch Kunst wird ein Aspekt an unsere Wand und dann in unseren Kopf gebracht. Sei es durch einen flüchtigen Blick beim Vorübergehen oder als täglicher Begleiter an der Wand über dem Esstisch. Kunst schafft Bewusstsein und Bewusstsein schafft Veränderung. Mal schnell frei nach Kafka: „Kunst muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“ oder mal langsam und kontinuierlich durch das Stetige (an der Wand).

Das kann die Kunst also für den Naturschutz tun: Bewusstmachung und dadurch bewusste Veränderung. Konkret zum Beispiel die besondere Wahrnehmung unserer unterschätzten und vielleicht geringgeschätzten krabbelnden, kriechenden und summenden Mitlebewesen. Bringen wir diese aus dem Off in die Mitte unserer Wahrnehmung, zumindest für ein paar kurze Momente und werden wir uns ihrer Schönheit, Berechtigung und Schutzbedürfnis bewusst. Save all creatures!

Jan Olschewski http://www.janolschewski.de