Stefanie Weigelmeier

von Stefanie Weigelmeier. –

Jan Haft dürfte Vielen bereits als ausgezeichneter Natur- und Tierfilmer begegnet sein. Wie auch das 2019 erschienene Buch „Die Wiese“, gibt es das vorliegende Buch ebenfalls als Filmdokumentation.

Ein weiteres Buch über Natur? In Anbetracht der Fülle an „Naturbüchern“, die derzeit erscheinen und erschienen sind, kommt die Frage nicht von ungefähr. Oder noch provokativer: Warum muss ein Tierfilmer jetzt auch noch Bücher schreiben? Ich schätze die Filme von Jan Haft sehr und genieße insbesondere die vielen kleinen Augenblicke, die er feinsinnig in Bild und Ton einfängt und ich muss zugeben, dass ich mir genau diese Frage gestellt habe. Zumindest in den ersten drei Kapiteln, die mir stellenweise sprachlich ein wenig holperig in den Ohren klangen und in der Darstellung etwas zu sehr konstruiert erschienen. Dann jedoch brach das Eis und ich ging gebannt mit auf die Reise durch die einzelnen Großlebensraumtypen, in welchen Jan Haft das Gefühl von Heimat vermitteln möchte.

Von Ameisenlöwe bis Wasserbüffel

Menschen, die noch nie bäuchlings auf dem Boden liegend einem Ameisenlöwen beim Fallenstellen und Jagen zugeschaut haben, können nun Hafts Worten folgen, die entsprechende Filmsequenz finden und dann am besten selbst raus gehen und das Schauspiel erleben. Durch sein persönliches Erzählen könnten mit diesem Buch auch junge Menschen motiviert werden, sich für die Natur zu begeistern.

Teil des Buches ist auch ein klares Plädoyer für die Weidetierhaltung in einer sehr extensiven Form (und damit sind hier mindestens 1 Hektar pro Großvieheinheit gemeint), wie sie der Autor auch selbst mit Wasserbüffeln betreibt. Nicht nur, dass diese Art der Tierhaltung die Humusbildung und damit die Kohlenstoff-Bindung fördert, durch das Verhalten der Tiere schaffen diese auch klein- und kleinsträumige Mosaike unterschiedlicher Habitate: Trittsiegel mit offenem Boden, Suhlflächen – trocken ein Sandbad für Vögel, nass ein Schlammparadies für Molche oder Unken.

Stichwort: Störungsökologie !

Dr. Herbert Nickel untersucht die Biodiversität anhand von Zikaden auf auf Grasländern und vergleicht sie mit der Form der Bewirtschaftung. Es ist nicht verwunderlich, dass extensiv beweidete Flächen bei weitem das größte Arteninventar aufweisen (dies aus seinem Vortrag am 11.12.2018, Universität Göttingen mit dem Titel „Das Insekten- und Vogelsterben einmal anders betrachtet“ und in div. Publikationen nachzulesen).
Allerdings ist das auch nicht nur auf die Beweidung zurückzuführen, einen wichtigen Grundstock liefert die Fläche selbst!, wohlgleich eine extensive Beweidung sicherlich dem Erhalt Artenvielfalt förderlich ist. Ist eine Beweidung nicht möglich, so kann mit der Art und Weise der manuellen/maschinellen Bewirtschaftung dennoch an der Stellschraube gedreht werden, wie z.B. hier beim „ökologischen Mähen“.

Zurück zum Buch…. Jan Haft widmet ein ganzes Kapitel bemerkenswerten Tiere, den Schneckenkankern. Eine abgefahrene Weberknecht-Familie, deren Scheren (Cheliceren) so kräftig sind, dass sie Schneckenhäuser knacken können. Ich bin einer dieser Art selbst einmal begegnet bei einer Fledermaus-Exkursion im Bayerischen Wald und war einfach nur fasziniert von der bemerkenswerten Ökologie, heute weiß ich, dass diese Art wie auch viele der 47 im deutschsprachigen Raum vorkommenden Weberknecht-Arten gefährdet und im Bestand bedroht sind.
Der namensgebende Schneckenkanker Ischyropsalis hellwigii ist eine Reliktart aus den zurückliegenden Kaltzeiten. Die Langbeiner leben in alten, strukturreichen Wäldern mit feuchtkühlem Klima.

Ein weiteres Kapitel, wegen dem ich mich spontan in dieses Buch verliebt habe, ist das in welchem Jan Haft über die Schönheit der Neozoen buchstäblich versinkt und mit dem „Pfirsichblütenfisch“ baden geht…. mehr verrate ich jetzt aber nicht.

Das Buch ist rundum ansprechend gestaltet. Die Ausstattung ist sehr wertig: Typographie, Papier und ein Lesebändchen sind konsequent und passen gewählt, was das Ganze zu einer optischen wie haptischen Freude gereichen lässt. In zwei Blöcken enthält das Buch Farbbilder auf hochwertigem Papier, welches die Qualität der Motive gut zur Geltung bringt.

Ich schätze an Jan Haft, dass er seine Bekanntheit nutzt, Nöte, die in Bezug auf Naturschutz unübersehbar sind deutlich anzusprechen und zu adressieren, seien es wie hier das Verbot von Blei-haltiger Munition oder Deutschlands Landwirtschaftspolitik. Er bewahrt und zeigt hierzu Haltung, in den Filmen, in seinen Büchern, aber auch in Fachvorträgen und in den sozialen Medien.
Ich wünsche dem Buch viel Erfolg, nicht nur „ein weiteres Naturbuch“, sondern ein Zusätzliches!, das Wissen vermitteln und Verbundenheit mit unserer Mitwelt erzeugen kann.

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Am 15. Juli 2021 kommt auch der erwähnte Film in die Kinos: Trailer, Homepage.