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von Stefanie Weigelmeier. –
Mit Blättern, Blüten oder Früchten lassen sich die meisten Gehölze recht einfach zuordnen, aber auch im unbelaubten Zustand lassen sich charakteristische Merkmale finden und bestimmen.
So gibt es da die Borke am Stamm oder die Wuchsform im Ganzen und in Bezug auf Verästelung im Detail. Die Borke verändert sich mit dem Alter und der natürliche Habitus kann z.B. „verschnitten“ sein. Jedes Jahr neu und individuell einzigartig bilden sich jedoch die Knospen und auch die Rinde der jungen Zweige tragen charakteristische Merkmale.

Alnus glutinosa: weibliche und männliche Knospen, sowie Blattknospen © Stefanie Weigelmeier
Von der Knospe zum Zweig
Erst, wenn sich Knospen entfalten, wird ihr innerer Aufbau sichtbar. Und wenn mensch lernt, diese zuzuordnen, dann lassen sich diese Strukturen auch im sommerlichen Zweig wiederfinden: gegenständig, wechselständig, Nebenblatt vorhanden, Blütenknospen, Zuwachsknospen – all das ist im Kleinsten bereits in der Knospe angelegt und entfaltet sich jeden Frühling innerhalb weniger Wochen mit Wucht.
Ganz einfach lässt sich dies, wie ich finde, bei Tilia studieren.
Mit diesem Wissen bekommen die Begriffe „Entwicklung“ oder „Entfaltung“ eine ganz neue Konnotation. Welche Knospe entwickelt sich und welche entfaltet sich?
Das vorliegende Buch erschien 2020 in der 3., aktualisierten Auflage. Der auffälligste Unterschied ist, dass sich die Zeichnungen im Erklärungsteil mit satten Farben deutlich von denen im Hauptteil in zarten Aquarelltönen absetzen. Das mag das empfindliche Auge möglicherweise zunächst irritieren, wenn man sich jedoch verdeutlicht, welche morphologischen Strukturen hier gemeint sind, dann erleichtert ein monochrom-satter Farbton Zuordnung und Unterscheidung enorm.

Corylus avellana: weibliche und männliche Knospen, sowie Blattknospen © Stefanie Weigelmeier
Preisgekröntes Standardwerk
Das Buch hat 1999 den Buchpreis der Deutschen Gartenbaugesellschaft und 2000 den Prix Redouté, mention botanique erhalten. Der Autor Bernd Schulz hat es mit über 1.500 farbigen Aquarellen und mehr als 400 weiteren Zeichnungen gefüllt. Die Aquarelle sind sowohl künstlerisch vollendet und wissenschaftlich genau. Schulz lehrt und forscht am Institut für Botanik der TU Dresden. Mit diesem Buch zeigt er, dass die Gehölzbestimmung ihm eine Herzensangelegenheit ist.
Knospenbestimmung – so geht’s
Winter und zeitiges Frühjahr sind die Jahreszeiten, um sich mit Knospen zu beschäftigen 😉 also raus!
Ohne Vorerfahrung oder helfenden Menschen wäre es sicherlich sinnvoll, mit bereits bekannten Gehölzen zu beginnen und sich so im Bestimmungsschlüssel zurecht zu finden.
Zweige können photographiert oder gesammelt werden (bitte sorgsam abschneiden und nicht die Gärten der Nachbarschaft verwüsten) und zuhause unter Zuhilfenahme einer 10x-Lupe betrachtet und bestimmt werden.
Mit 2kg Gewicht ist dieses Buch kein handlicher Feldführer. Ich fände es in seiner schicken Aufmachung dafür auch zu schade. Das Papier ist dick und hochwertig, lässt sich gut blättern.
Der Bestimmungsteil beginnt mit einem übersichtlichen dichotomen Bestimmungsschlüssel, der zu den Gattungen führt. (An dieser Stelle würde ich mir die Seitenangabe wünschen, an der es weiter geht, so dass ich nicht immer im Inhaltsverzeichnis nachschlagen muss.)
Die Beschreibungen das Baum- und Straucharten sind nach Familien geordnet und dort geht es weiter mit der Bestimmung bis auf Artniveau.
Das Buch behandelt über 700 Baum- und Straucharten, alle einheimischen und häufig gepflanzten Arten sind vertreten.
Eine handliche und günstigere Variante ist „Knospen und Zweige – ein Ulmer Taschenatlas“, ebenfalls von Bernd Schulz. Es beinhaltet allerdings auch nur 270 Gehölzarten und ist nicht so detailliert.

Prunus spinosa © Stefanie Weigelmeier
Warum eigentlich Knospenbestimmung?
Neben einer Liebhaberei kann das durchaus praktische Beweggründe haben.
Gehölzschnitt findet meist im unbelaubten Zustand statt. Fachgerechter Schnitt bedeutet auch, die Aspekte der Art im Blick zu haben.
Baumkontrollen finden meist alternierend im belaubten und unbelaubten Zustand statt, auch da ist es unumgänglich, die Art benennen zu können.
Ein weiterer Einsatzzweck könnte es sein, eine Gehölzanpflanzung (z.B. eine Ausgleichsmaßnahme) kontrollieren zu können, ob auch wirklich die festgelegten Arten in der passenden Anzahl und Qualität gepflanzt worden sind.
Baumpflege, Baumkontrolle, Behörde, Planungsbüro, Gartenfachbetriebe, … nur um einige berufliche Einsatzzecke zu nennen.
hard facts: 2kg schwer, Ulmer-Verlag, ISBN 978-3-8186-1138-5, 98,-€ – support your local book-store.
19. Oktober 2022 um 12:11 am Uhr
“Daher verfallen ‘wir Fachleute’ oftmals unbewusst in die wissenschaftliche Bezeichnung (oftmals kenne ich persönlich die dt. Namen gar nicht mehr).”
Das nennt sich dann wissenschaftlicher Elfenbeinturm oder, pardon!, Fachidiotie. Unbewusst erscheint mir hier im Artikel im Übrigen gar nichts, sondern bewusst gesetzt, wie von Stefanie Weigelmeier ja noch einmal unterstrichen. In rein wissenschaftlichen Kreisen ist eine eindeutige Fachterminologie sicherlich angebracht und notwendig, obschon auch da das zusätzliche Nennen der deutschen Bezeichnungen die Lesbarkeit für Interessierte aus verwandten Fachgebieten erhöht. In einem Weblog für ein allgemeines Publikum erscheint mir der bewusste Verzicht auf die deutschen Begriffe jedoch als arroganter Ausdruck einer akademischen Präpotenz, die sich selbst genug ist und Wissensvermittlung als gesellschaftliche (und nicht nur akademische) Aufgabe komplett verlernt hat.
Was wäre denn so aufwendig und uneindeutig daran gewesen, zusätzlich auch Linde, Gemeine Hasel und Schlehdorn in den Text zu setzen? Ich halte die Verweigerung nur für eine bequeme Ausflucht, um den Laien billig abzuspeisen. Der soll allen Ernstes erst einmal die botanischen Fachbegriffe pauken! Geht’s noch? Und im nächsten Blog dann die physikalischen, medizinischen, philosophischen und und und. Da wird’s dann aber schnell recht einsam, selbstreferentiell und autistisch im Wissenschaftsbetrieb. Die grundsätzlich hoch anerkennenswerte Mühe, hier ein Fachbuch einem allgemeinen Publikum vorzustellen, verkehrt sich dann doch eher ins Gegenteil.
Insgesamt ja leider keine untypische Haltung insbesonders auch in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft, einer demokratischen Gesellschaft vollkommen unwürdig (und auch nicht ungefährlich). Und das sage ich mit inzwischen mehr als 30 Jahren in der universitären Lehre und Forschung, wenn auch fachfremd und lange im Ausland. Ebenso traurig wie ärgerlich wie schädlich.
3. März 2021 um 11:10 am Uhr
Danke für diesen Beitrag. Allerdings sind 98 EUR für einen solchen Band sicher angebracht, aber nicht für jeden erschwinglich.
Für den interessierten Laien wäre es hilfreich, wenn ihm Beitrag oben nicht nur die botanischen Namen stünden, sondern auch die umgangssprachlich gebräuchlichen.
Trotzdem, schöner Beitrag.
3. März 2021 um 12:05 pm Uhr
Hallo Hans-Joachim,
ich möchte keinesfalls Stefanie die Antwort vorwegnehmen aber deine Anmerkungen passen gerade perfekt zu einem Gespräch, welches ich gerade führte. Die deutschen Namen der Flora unterscheiden sich innerhalb der Landesgrenzen deutlich. So hat alleine der Löwenzahn in Mitteldeutschland vier unterschiedliche Bezeichnungen. Bei den Gehölzen ist es ähnlich, wenn auch nicht so stark ausgeprägt. Daher verfallen “wir Fachleute” oftmals unbewusst in die wissenschaftliche Bezeichnung (oftmals kenne ich persönlich die dt. Namen gar nicht mehr). Das hat den Vorteil, dass diese Namen weltweit einheitlich und somit verständlich sind.
Aber deinen Standpunkt verstehe ich ebenfalls.
VG,
Thomas
3. März 2021 um 1:31 pm Uhr
Hallo Hans-Joachim,
zu Thomas’ Worten über die Verwendung einheitlicher wissenschaftlicher Namen brauche ich nichts hinzufügen.
Auch bei der Bezeichnung der Strukturen zur Bestimmung ist man gut beraten gleich mit den korrekten Begriffen anzufangen. Ist dann vllt. ein bisschen wie ‘ne neue Sprache zu lernen 😉
Ja, für Laien ist das Buch sicherlich zu umfangreich. Dafür habe ich im Text auch noch eine kleinere Variante genannt. Die ISBN lautet 978-3-8186-0820-0, es ist für 15€ doch ganz erschwinglich.
VG, Stefanie