Stefanie Weigelmeier

von Stefanie Weigelmeier. –

Mikroorgasmen…wo?…Überall?….der Titel bindet in jedem Fall erstmal Aufmerksamkeit. Wie in jedem Tierfilm wird auch hier an einigen Stellen das Sexualverhalten einiger Tierarten erläutert. Aber nicht übermäßig viel oder ausufernd. Ich denke, der Titel soll eher auf das Gefühl anspielen, dass bei uns entstehen kann, werden wir uns dieser vielen kleinen Umstände bewusst, welche die Natur und das Leben um uns herum so „veranstaltet“. Einfach orgasmisch... 😉

Der Autor, Dominik Eulberg, hat Biologie und Geographie studiert und ist vielen möglicherweise als Techno-DJ bekannt. In der Festival- und Auftritts-freien Zeit des Jahres 2020/21 war es um ihn jedoch nicht still, wie um viele andere Künstler:innen, sondern möglicherweise hat er genau diese Zeit genutzt, um sein Engagement als Naturschützer mit seiner Popularität als DJ zu verbinden und an die breitere Öffentlichkeit zu gehen: seine Tracks als Untermalung von Naturfilmen, als Face der Naturschutz-Kampagne eines Bio-Saftherstellers oder in den sozialen Medien. Das Buch fügt sich gut ein in die Reihe kürzlich erschienener Werke, die möglicherweise die deutsche Form des nature writing darstellen, welcher Natur und die Idee eines Naturschutzes in Form persönlicher Anekdoten gepaart mit biologischen Fakten vermitteln will.

Die Zielgruppe ist, dem Titel entsprechend, sicherlich jünger, gefühlt-jung und eher „cool“ (oder das, was die post-90er-Generationen des letzten Jahrhunderts dazu sagen…). Die Kapitel und die thematischen Abschnitte sind eher kurz, schwierigere Begriffe prägnant erläutert, der Text ist leicht zu lesen. Ein ganz anderer Duktus findet sich im Vorwort, so kenne (und mag) ich Dominik als Sprecher aus Interviews.

Eine Ordnung ist in den Kapiteln nicht ersichtlich. Manchmal beschäftigt sich ein Kapitel mit nur einem Organismus, mal werden mehrere scheinbar thematisch aneinandergereiht. Wenn es schon keine verbale Überleitung gibt, so hätte ich mir doch eine optische Abgrenzung (z.B. eine Fettierung) gewünscht, wenn eine neue Art eingeführt wird.
Manche Passagen wirken schon fast unbeholfen stark vermenschlicht in ihren Formulierungen, so rennt ein Sandlaufkäfer als „kleiner Schumi“ alles nieder oder es wird ein männliches Insekt beschrieben, das „schwanzvoran“ mit einer Blüte kopuliert. Das Lektorat hätte hier einige seltsame Formulierungen vermeiden können.

Das Buch ist eine Sammlung spannender fun facts aus der Biologie und Ökologie, eine Auslese der Biologie-Grundvorlesungen quasi. Wenige Zusammenhänge sind jedoch so stark verkürzt dargestellt, dass sie unscharf werden und damit möglicherweise more fun than fact.
Auf der anderen Seite hat dieser Umstand, bis sie es herausgefunden hätten, die meisten Leser:innen doch zumindest so weit angeregt, das selbst zu recherchieren, tiefer einzutauchen in ihnen eine bis dahin unbekannt Welt voller Faszination und Naturbewusstsein.
Dies ist kein Buch, das man von vorne bis hinten durchliest. Es ist eher ein Buch, das man ab und zur Hand nimmt und zu einzelnen Organismen nach- und vorliest. Es hat das Potential, bei jungen und jüngeren Menschen Interesse für Natur zu wecken, versorgt mit Gesprächsstoff für die nächste Party oder andere soziale Zusammenkunft, Material für angehende Naturschützer:innen und solche die es noch werden könnten.

Das ca. 350 Seiten dicke Buch von Dominik Eulberg stammt aus dem Eichborn-Verlag und kommt als kompaktes Hardcover. Der Satz ist ansprechend, angenehm schlicht und übersichtlich, Text und Bilder haben genug Platz zu wirken.
Die Abbildungen stammen alle aus der Cramers Gallery of Nature, die eine umfangreiche und künstlerisch hochwertige Sammlung an naturwissenschaftlichen Zeichnungen vorhalten. Die 26 Organismen auf dem Einband werden auf der Umschlagseite mit einer Schattenzeichnung benannt. Am Schluss sorgt ein Register für Übersicht, hier sind alle Organismen gelistet, auch wenn sie nur in einem Nebensatz erwähnt worden sind.

Demnach kommt das Buch auf über 200 Arten, also ein umfangreiches Wissen um das man nach der Lektüre reicher ist.
Zum Schluss möchte ich hier die grandiose Idee von Wolfram Adelmann teilen, der empfiehlt, die Geschichten aus diesem Buch als Guten-Morgen-Geschichten vorzulesen und so in den Tag zu starten. Wem auch immer Ihr vorlest, da entsteht bestimmt Lust auf mehr!

 

Hier noch ein Link zu meinem Artikel „So klingt Biodiversität“, da findet Ihr einen Link zu einem Stream von Dominik Eulberg im Museum für Naturkunde zu Berlin.