Thomas Engst

Die Familie der Orchideengewächse bringt viele der wohl prächtigsten und farbenfrohesten Arten hervor. So verwundert es nicht, wenn sich jedes Jahr unzählige Pflanzenfreunde auf den Weg machen, um die bekannten Standorte der verschiedenen Orchideenarten aufzusuchen. Ich nehme mich da nicht aus, lege ich doch selbst hin und wieder einige Kilometer zurück um einen Blick auf besonders schöne Exemplare zu erhaschen. Ein solches Exemplar ist in meinen Augen die Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera), welche ich heute etwas näher vorstellen möchte.

Ophrys insectifera wächst als zierliche, ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von 15 bis 40 Zentimetern. Diese Art zählt zu den Geophyten und bildet zwei unterirdische, eirunde Knollen als Überdauerungsorgane. Die Stängel sind dünn und grünlich-gelb. Die zwei bis fünf Laubblätter sind in einer grundständigen Rosette angeordnet, nicht wie bei den anderen heimischen Ragwurzen am Boden anliegend, sondern steil aufrecht.

Ophrys insectifera

Die Blütezeit von Ophrys apifera erstreckt sich von Anfang Mai bis Juli. Zwei bis zwölf, selten auch mehr Blüten stehen locker angeordnet in einem langen, ährigen Blütenstand zusammen. Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und dreizählig. Die Kelchblätter sind grün, 5 bis 9 Millimeter lang und 3 bis 4 Millimeter breit. Die Kronblätter sind fadenförmig, behaart und 6 bis 10 Millimeter lang. Die dreilappige Lippe ist 10 bis 12 Millimeter lang, leicht behaart und der Mittellappen ist gespalten. Die Farbe meist braun mit leichter Tendenz zum rötlichen. Das Mal steht direkt in der Mitte der Lippe, grau-blau bis metallisch-blau gefärbt.

Blütenökologisch handelt es sich bei der Fliegen-Ragwurz um „Lippenblumen vom Orchis-Typ“. Nektar fehlt, dafür wird ein „anbohrbares Gewebe“ angeboten. An der Basis der Blüte befinden sich glänzende Höcker als „Scheinnektarien“, die vermutlich ökologisch unbedeutend sind. Es handelt sich bei dieser Art um eine typische Insektentäuschblume, oder auch Sexualtäuschblume. Die Blütenblätter täuschen die Form einer Wespe vor und locken mit Aussendung des Sexualhormons beziehungsweise des Duftstoffs die Männchen von Grabwespen (vor allem Argogorytes mystaceus) an. Diese führen auf der Lippe Begattungsbewegungen aus, wobei die Pollinien übertragen werden. Dieses Verhalten hört nach dem Schlüpfen der Weibchen auf. Die Fernanlockung wird durch Ähnlichkeit der Lippe mit dem Weibchen, die Nahanlockung durch spezifischen Duft und Berührungsreize erreicht.

Ophrys insectifera

Das Verbreitungsgebiet der Fliegen-Ragwurz ist auf Europa beschränkt. In Europa dringt die Fliegen-Ragwurz auch in kältere Gebiete, beispielsweise Ural und Skandinavien, vor. Durch ihre Eigenschaft, auch kältere Gegenden zu besiedeln, trifft man diese Art auch in den Alpen in der collinen bis obermontanen (subalpinen) Höhenstufe an.

Die Fliegen-Ragwurz gedeiht am besten auf kalkhaltigen, lockeren, lehmigen oder tonigen Böden mit guter Humusbeimischung. Sie bevorzugt Halbtrockenrasen, Gebüsche oder lichte Trockenwälder in Gegenden mit sommerwarmem Klima. Die Fliegen-Ragwurz gedeiht auf Magerrasen, Trockenrasen, Halbtrockenrasen, in lichten Kiefernwälder, selten auch Kalkflachmoore oder humusdurchsetzte Schotterbänke von Gebirgsflüssen.

Ophrys insectifera