- Welche Rolle spielt der Artenschutz? - 14. Mai 2024
- [Gastbeitrag] Trockenheitsresistenter Garten mit heimischen Pflanzen - 2. April 2024
- [Gastbeitrag] Sind die “Grünen” noch grün? In Thüringen stellt man sich die Frage. - 2. Februar 2024
Ich habe als Kind lange angenommen, dass mein Vater deswegen immer „seine“ Pflänzchen bei unseren Wanderungen anschaute, weil es ihm sonst auch zu langweilig gewesen wäre. Für ihn bedeutete Wandern, alle paar Meter stehen zu bleiben und Pflanzen zu bestimmen. Nicht die mit den großen Blüten interessierten ihn, sondern die kleinsten Gräser. Irgendwann ließ ich mich anstecken. So mit Lupe und Bestimmungsbuch herumzuwandern fühlte sich irgendwie besser an, als scheinbar sinnfrei Landschaft zu bewundern. Wie Kindern ein Essen etwa zehn mal angeboten werden muss, damit sie es probieren, habe ich wahrscheinlich das halbe Alpenvorland bestiegen, bis ich eine Pflanze genauer unter die Lupe nahm.
Halbtrockenrasen waren ab da immer die spannendste Landschaftsform. Ich war etwa neun, als wir im Allgäu Urlaub machten und ich mich an meine erste Pflanzenbestimmung wagte. Mit dem Atlasband des Rothmalers [Botanische Bestimmungsliteratur] hatte ich mir in den Kopf gesetzt, eine spezielle Pflanze zu bestimmen. Sie war bräunlich-grün und sah durch und durch komisch aus. Ohne wirklichen Stiel, ohne sichtbare Blüte. Ich suchte und suchte. Keine Pflanze im Rothmaler sah so aus. Ich weiß nicht, wie lange ich nach einer Ananas-ähnlichen Abbildung im Buch blätterte. Irgendwann gab ich auf und ließ mir helfen. Damit ich nicht allzu gekränkt in meinem Stolz war (und um mir nicht gleich meinen ganzen Enthusiasmus kaputt zu machen), gab es nur den Tipp mit der richtigen Familie und ich suchte die Art anhand der Bilder im Atlas selbst. Es war ein Schmarotzer. Ich war so stolz auf meinen ersten Kartiererfolg und ging ab da regelmäßig mit meinem Vater auf die Flächen. Mein Vater zeigte die Schätze die es dort gab und mein Fundus an lateinischen Namen erweiterte sich Stück für Stück. Ich tauchte ein in die Wunder des Halbtrockenrasens, und ließ mich davon faszinieren, dass es dann besonders viele verschiedene Arten gibt, wenn es an Nährstoffen mangelt.
Ein Umstand, der sich vielen Erwachsenen nicht erschließt und über den ich im Rahmen meiner Selbstständigkeit letztes Jahr für ein Erklärvideo ein Drehbuch geschrieben habe. So schließt sich der Kreis heute. Ich arbeite als freie Journalistin und Texterin und möchte damit der Natur eine Stimme geben. Mein Vater hat meinen beruflichen Werdegang leider nicht mehr miterlebt. Im Herzen ist er aber bei jedem Text mit dabei. Ich verdanke ihm viel. Denn dadurch, dass er seiner Berufung nachgegangen ist und trotz Genörgel und Gejammer von uns Kindern weiterhin seine Pflänzchen bestimmt hat, habe ich viele Stunden in der Natur verbracht und sie schließlich lieben gelernt.
Eltern, die gerne und viel Zeit draußen verbringen und ihre Kinder teilhaben lassen, geben ihren Kindern gelebte Naturerfahrungen mit und setzen damit den Grundstein für Naturverbundenheit. Kinder lassen sich von Begeisterung anstecken. Das kann durch Wandern geschehen, oder durch das Bestimmen von Pflanzen und Tieren. Dafür eignet sich aber auch das Pflanzen, Ernten und Verarbeiten von Früchten und Gemüse im Schrebergarten oder am eigenen Balkon. Naturverbundenheit kann ebenso durch Fackelwanderungen und Übernachten im Freien geweckt werden, wie durch scheinbar zielloses herum-stromern, auf Entdeckungstour gehen und Fährtenlesen.
Wichtig ist bei all diesen Aktivitäten, dass sie keinen Schaden für die Natur anrichten. Wer wilde Mountainbike-Touren durch den Wald unternimmt, ist zwar auch draußen unterwegs, gibt aber möglicherweise nicht gerade Respekt vor der Natur als Wert weiter. Hier gilt es, Vorbild zu sein, auch draußen. Die eigene Begeisterung ist es, von denen sich Kinder anstecken lassen. Seien wir begeistert, von dem was wir tun und von dem, was uns umgibt!
Über die Autorin
Veronika Eicher hat Naturschutz und Landschaftsplanung an der Hochschule Anhalt studiert und sich danach als freie Texterin selbstständig gemacht. Sie schreibt für Websites und Online-Magazine über Nachhaltigkeit, den Klimawandel und weitere grüne Themen. Mehr Informationen zu ihrer Arbeit auf www.quercustexte.de und über ihre grünen Gedanken auf Instagram unter @quercustexte.
28. Dezember 2020 um 10:06 am Uhr
Ein schöner Text!- Genauso lief meine Kindheit ab. Heute noch ist die Natur ein Hauptthema bei Telefonaten mit meinen alten Eltern. Wir erleben im Umweltschutz gerade ein sehr naturferne, technokratische Wende. Junge Menschen auch der FFF-Bewegung (die ich im Großen und Ganzen unterstütze), sagen ganz offen, dass Klimaschutz so wichtig ist, dass man dafür den Arten- und Naturschutz eindämmen muss. Sie schauen nur aufs CO2. Die Natur ist manchen von ihnen ganz fremd. Aus meiner Sicht ist diese weit verbreitete Haltung fatal: Die gleiche brutale Rücksichtslosigkeit, die uns den Klimawandel eingebrockt hat, soll uns nun retten. Das extreme Artensterben, das mich wirklich umtreibt und ängstigt, ist kein Thema. im Gegenteil: Immer neue Schutzgüter und Tötungsverbote seltener Tierarten werden für einen vermeintlichen “Klimaschutz” aufgegeben, der (so die paradoxe Argumentation) am Ende den Planeten und damit die Arten rettet (die man vorher ausgerottet hat). Natur kann man nur schützen, indem man sie schützt!!! Da ich mich sehr für BNE einsetze, habe ich mir dazu Gedanken gemacht: https://ilkas-griffelkasten.com/tag/bne/