Stefanie Weigelmeier

von Stefanie Weigelmeier. –

Streuobstwiesen sind bei Ausgleichsmaßnahmen in aller Munde und der ökologische Wert alter Hochstamm-Bestände sind unumstritten.
Jedoch in der langfristigen Umsetzung einer solchen Naturschutzmaßnahme ist vieles zu beachten. Neben einem fachlichen Erziehungs- und Aufbauschnitt in einer mehrjährigen Begleitung, ist vor allem in den Anfangsjahren das Wässern ein, wenn nicht der wichtigste Aspekt.
Bei behördlichen Auflagen werden oft nur die ersten drei Jahre in der Genehmigung verankert und selbst diese werden, aus Personalmangel oder aus anderen Gründen, in den wenigsten Fällen kontrolliert.

Pomologie – die Lehre von den Obstsorten und vom Obstbau.

Um so wichtiger sind gute, private oder anders gelagerte Initiativen, die sich für Streuobstbestände einsetzen, die Bäume pflegen, die Fläche unterhalten und – der wichtigste Punkt für ein langfristiges Gelingen – die Nutzung/Vermarktung unterstützen.

Viele gute Initiativen gibt es hier auf regionaler Ebene. Ein Teilbereich ist die Pomologie.

 

Sofia Blind: Die alten Obstsorten

Sofia Blind stellt in diesem Buch 19 Apfelsorten, drei Pfirsiche, 4 Beeren, 13 Birnensorten, vier Kirschen, fünf Pflaumen und sechs andere seltene Obstarten jeweils in einem doppelseitigen Portrait vor. Und weil der Autorin die Auswahl wohl gar so schwerfiel, schließt sich jedem Kapitel eine doppelseitige Auflistung weiterer empfehlenswerter Sorten an.
Jedes Sortenportrait beinhaltet neben der Entstehungsgeschichte der Sorte, praktischen Angaben zu Standort und Fruchtreife, auch die Poesie der Aromen sowie die bestmögliche Verwendung. So steht das Stuttgarter Gaishirtle („Mal knackig, mal verhutzelt, immer lecker“), eine Birne, die ins Hutzelbrot gehört oder sich in Kletzen verwandelt, neben dem Blutapfel, der möglicherweise schon 50 n. Chr. von Plinius dem Älteren erwähnt worden ist, bis in den Mai genussreif ist und seinen Geschmack vor allem im Kompott entwickelt oder der Moschuserdbeere, die wohl aus Frankreich stammt und so lange Stängel hat, dass darauf früher Erdbeer-Sträußchen gebunden worden sind.

Die Mispel – ein dekorativer Obstbaum für kleine Gärten. © S.Weigelmeier

Das Buch bietet Neulingen einen federleichten, schöngeistigen Einstieg in die Welt der Pomologie. Sofia Blind webt feine Geschichtsfäden um die Sorten und hält damit auch für die Fortgeschritteneren noch einige Anekdoten bereit. So wird erzählt, wie der preußische König Friedrich II. im Februar zu Kirschen kam und was eine einzelne Kirsche, umgerechnet mit allen Energiekosten in der Kultivierung, gekostet haben mag. Aber auch Klassiker der Kirschen-Fraktion, wie die Große Schwarze Knorpelkirsche, kommen in der Beschreibung neben einer reichhaltigen Aufzählung alter, regionaler und teils verschollener Sorten nicht zu kurz.

Die Autorin hat die einschlägigen Werke konsultiert und rezipiert in ihrem Buch die Hofgärtner und Züchter der Blütezeit der Pomologie. Somit könnte man sagen, ach, ein weiteres Buch über Pomologie. Aber angesichts einer Sortenvielfalt, riesig wie appetitlich, sollte die Klangfärbung eher erfreut sein: ein weiteres (!) Buch über Pomologie!

Im Anhang ergänzt ein Text von Dr. Katrin Böhme (Abteilung historische Drucke, Staatssammlung zu Berlin). Für den Einstieg in die Thematik lohnt es, diesen Text mit den Ausführungen über die Pomologie zu erst zu lesen. Darin werden wichtige historische Akteure eingeführt und lassen sich so dann beim Studieren der Steckbriefe besser einordnen und in Kontext setzen.

Neben einem ausführlichen Quellen-Verzeichnis zum Weiterlesen finden die LeserInnen auch Adressen zu Initiativen und Vereinen, sowie über die Republik, Österreich und die Schweiz verteilte Obstmuseen und Sortengärten. In Anbetracht der Fülle darf hier kein Anspruch auf Vollständigkeit gestellt werden.

Es handelt sich durchaus um ein bibliophiles Buch mit praktischem Lesebändchen, Satz und Gestaltung sind wohlgefällig und vollendet. Die historischen Abbildungen stammen aus den Beständen der Staatsbibliothek zu Berlin.

Ein interessantes Buch für Pomologinnen und Hobby-Gärtner, Streuobst-Interessierte aber auch verständlich für Einsteiger. Ein schönes Buch auch zum Verschenken oder für die eigene Sammlung.

Das Buch hat 192 Seiten, gebunden, ist im Dumont-Verlag erschienen und für 25€ am besten im örtlichen Buchhandel zu kaufen (ISBN 978-3-8321-9988-3) – support your locals!