Stefanie Weigelmeier

von Stefanie Weigelmeier. –

Warum ist das Frühjahr eine gute Zeit, Vogelstimmen kennen zu lernen?

Wie unterscheidet sich der Gesang sowohl im Verlauf des Tages als auch des Jahres?

Warum singen manche Vögel auch nachts?

Vogelsprache – wie teilen sich die Gefiederten (uns) mit?

….darum geht es in diesem Beitrag….

 

Vogelstimmen – der Jahresverlauf

Mit Beginn der Brutzeit, also ab dem Spätwinter (quasi jetzt im März) beginnt es wieder, das Vogelkonzert. So langsam trudeln die ersten Winterurlauber wieder ein, die Hiergebliebenen haben schon mit Revierbildung und Paarung begonnen.

Vogelstimmen – der Tagesverlauf

Jede Vogelart hat einen anderen Zeitpunkt für den morgendlichen Gesangsbeginn. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich durch die zunehmende Helligkeit. Hat man sich schon ein wenig eingehört, so hilft diese Reihenfolge dabei, das Gelernte zu verfestigen und wiederzuerkennen. So beginnt der Gartenrotschwanz meistens etwas vor dem Hausrotschwanz (auch ihre Lebensräume unterscheiden sich). Die Singdrossel setzt vor dem Rotkehlchen ein und damit vor der ähnlich klingenden Amsel. Minütlich steigen weitere Arten in den Gesang ein, für die Ohren eine Herausforderung. Aber, in der Wiederholung liegt das Lernen.
Der Nabu bietet diese hübsche Grafik an und unter dem Link findest Du auch die Stimmen im Mouse-over-Menü.

 

Achtizig Minuten vor Sonnenaufgang – die Vogeluhr © CC-BY-SA 2016 NABU-Bundesverband

 

Was wir morgens hören, ist der Gesang, mit dem die Männchen ihr Revier kundtun. Fast alle Vogelarten singen morgens am intensivsten. Morgens vor Sonnenaufgang ist es windstiller, die Thermik hat sich noch nicht aufgebaut, Töne verwirbeln sich so weniger in der Luft, der Schall wird eine weitere Strecke getragen. Weit hörbar zu sein, bedeutet für das Männchen, seine Konkurrenz möglichst weit aus dem eigenen Einzugsbereich herauszuhalten. (Gut nachvollziehen lässt sich das später im Jahr bei den Nachtigallen, die ihre akustischen Reviere längs von Wasserläufen aufspannen. Sobald das eine Männchen weniger hörbar wird, schwillt der Gesang des Nachbarn gleichermaßen in der Lautstärke an.)

Merke: früh im Jahr anfangen und früh aufstehen bringt akustische Übersicht
(….und viele schöne Sonnenaufgänge).

 

Vogelgesang in der Nacht – was soll das?

Abgesehen von den 80 Minuten vor Sonnenaufgang, dem Zwielicht, der Blauen Stunde, der Morgendämmerung, also der Zeit in dem es sekündlich wahrnehmbar heller wird, gibt es auch Vogelgesang in der Nacht-Nacht, also in der Zeit zwischen der astronomischen Dämmerung und dem Morgengrauen.
Vor allem in urbanen Bereichen mit nächtlichem Kunstlicht (Stichwort Lichtverschmutzung….) stellte man fest, dass vor allem die frühen Vögel noch früher am Tag und v.a. auch früher im Jahr anfangen zu singen. Das mag uns vielleicht nicht weiter tragisch erscheinen, erfreut uns doch der Gesang gemeinhin als Frühlingsbote, für die Tiere hat dieser subtile Effekt des Kunstlichts aber möglichweise stärkere ökologische wie evolutionäre Konsequenzen: Forscher untersuchen, ob sich diese Änderung der biologischen Uhr auf die Fitness (also das Überleben des Einzelnen und den Fortpflanzungserfolg) der Tiere auswirkt. Ähnlich wie die Zugvögel, die immer früher zurückkehren und dann aber hier noch keine Insekten vorfinden, vergeuden auch Vögel die zu früh am Tag (oder in der Nacht) auf Nahrungssuche gehen, Energie, weil sie dann noch keine Insekten finden. Drosselarten sind von diesem Phänomen besonders betroffen.

Allerdings so unüblich ist nächtlicher Gesang dann auch wieder nicht. Kinga Kułaga und Michał Budka haben 2020 Ergebnisse aus Feldstudien in Ost-Polen veröffentlich. Verglichen wurden Wälder und offenere Landschaften (ohne anthropogene Beleuchtung). Von 88 Arten, die sie dort tagsüber aufgenommen haben, sangen 24 Arten auch in der Nacht. Bei manchen Arten war dies nur ein gelegentliches Singen, aber Wiederholungshäufigkeit und Intensität steigerte sich bis zu intensivem Gesang. Der nächtliche Gesang trat in offenen Landschaften signifikant häufiger auf als in Wäldern, also auch in Naturlandschaften ein feststellbarer Zusammenhang mit dem Effekt des Lichtes.

Kułaga & Budka (2020) Nocturnal singing by diurnal birds in a temperate region of central Europe. in: Journal of Ornithology 161
https://link.springer.com/article/10.1007/s10336-020-01794-5

 

Vogelsprache

Nun sind Gesang und Lautäußerungen der Vögel wichtige Hilfsmittel, Arten zu identifizieren oder zu kartieren (oder sich an ihrer Präsenz zu erfreuen). Manche optisch sehr ähnliche Arten, wie beispielsweise die Sumpfmeise und die Weidenmeise lassen sich anhand ihres Rufes sehr einfach unterscheiden.

Neben dem Gesang, also der Reviermarkierung gibt es noch weitere Arten von Lautäußerung. Diese Lautäußerungen funktionieren Artübergreifend, dienen also als eine Art Sprache der Gefiederten unter sich, die aber auch andere Lebewesen zu deuten und zu nutzen wissen. Wenn wir diese Lautäußerungen von Vögeln verstehen lernen, können wir durch genaues Hinhören vieles erfahren.

Ralph Müller unterscheidet in seiner Lehre über die Vogelsprache (z.B. die CD „Vogelsprache“) zwischen zwei Stimmungen, die durch Harmonie- oder Warnrufe gekennzeichnet sind.
Zu den Harmonierufen gehören der Balzgesang, Kontaktrufe (z.B. der Elternvögel untereinander), Bettelrufe (der Jungvögel) und die innerartliche Auseinandersetzung wie etwa bei Streitigkeiten.
Die zweite große Stimmung ist der Alarm. Der markierende Vogel hat etwas Bedrohliches entdeckt, was er durch auffälliges Verhalten, aber auch durch laute Warnrufe mitteilt. Die Warnrufe unterteilen sich wiederum in Luftalarm (für jagende Greifvögel aus der Luft) und Bodenalarm (Säugetiere).
Ralph Müller stellt auf der CD 14 Vogelarten mit deren typischen Harmonie- und Warnrufen vor. Das besondere dabei ist, dass er die Rufe nicht losgelöst vom Ereignis benennt (wie viele Vogelstimmen-CDs das tun), sondern in den Kontext des Erlebten setzt. So können die HörerÏnnen mit-erleben, wie sich die Stimmung der portraitierten Vögel verändert, wenn z.B. eine Katze durch den Garten schleicht. Auf seiner Homepage gibt es u.a. Hörbeispiele.

Dieser Aspekt kann auch für BaumpflegerÏnnen interessant sein. Der Sommerschnitt ist für die meisten Baumarten verträglicher, kann dann aber auch mit dem gesetzlichen Artenschutz in der Brutzeit kollidieren. Lernt mensch hier jedoch zu verstehen, ab wann das eigene Handeln die Tiere so weit stört, dass sie beispielsweise das Nest verlassen würden oder nicht mehr füttern, ist rücksichtsvolles Arbeiten vertretbar.