Thomas Engst

Es gibt Pflanzen, auf deren Blüte ich mich schon das ganze Jahr über freue. Rückt dieser Zeitpunkt näher, laufe ich nahezu täglich die mir bekannten Standorte an und lege mich auf die Lauer um ja nichts zur verpassen. Bei dem Gelben Frauenschuh (Cypripedium calceolus), einer in Sachsen-Anhalt stark gefährdeten Orchideenart, verhält es sich genauso. Leider hat der trockene Sommer im Vorjahr sowie der regenarme April in diesem Jahr den Beständen stark zugesetzt. Ein paar wenige blühende Individuen konnte ich aber entdecken und möchte euch diese sehr schöne Art an dieser Stelle sehr gerne etwas näher vorstellen.

Der Gelbe Frauenschuh ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 15 bis 60 cm erreicht. Am etwas gebogenen und behaarten Stängel befinden sich drei bis fünf breit-elliptische, stängelumfassende Laubblätter, die nach außen spitz zulaufen. Diese weisen eine Länge zwischen 5 und 13 cm auf. Die hellgrünen Laubblätter zeigen an der Blattunterseite eine feine flaumige Behaarung. Auch die kräftige Nervatur ist deutlich erkennbar. Die Blätter sind durch Längsfalten versteift und leiten dadurch das Regenwasser zum Stängel hin ab.

Cypripedium calceolus

In der Regel sind die einzelnen Triebe einblütig, oft tragen sie bei gutem Wachstum der Pflanze auch zwei Blüten, selten drei oder vier.

Die zwittrigen, zygomorphen Blüten sind dreizählig. Die vier äußeren purpur- bis schokoladenbraunen Perigonblätter sind etwa 5 cm lang. Sie zeigen eine spitz-lanzettliche Form und umgeben breit abstehend den gelben „Schuh“. Die schmalen Petalen sind häufig etwas gedreht. Die sehr große, kräftig gelbe Lippe wird von einem inneren Perigonblatt gebildet und zu einem bauchigen Schuh umgeformt. Durch Überkrümmung des Blütenstiels drehen sich bei Öffnung die Blüten um 180°, was bedeutet, dass das Labellum ursprünglich das obere, innere Perigonblatt der Blüte ist. Der Schuh erreicht eine Länge von 4 bis 8 cm. Die Blüten des Frauenschuhs zählen damit zu den größten unserer Flora und stellen die größten Einzelblüten unter den europäischen Orchideen dar. Es sind zwei Staubblätter fruchtbar. In Mitteleuropa beginnt die Blütezeit des Frauenschuhs Mitte Mai und dauert bis Ende Juni an. Cypripedium calceolus wird von Insekten bestäubt. Aufgrund seiner kesselfallenähnlichen Bestäubungsvorrichtung ist Selbstbestäubung praktisch ausgeschlossen. Als Früchte werden einfächrige Trockenkapseln gebildet, die winzige Samen enthalten. Sie werden durch den Wind als Körnchenflieger ausgebreitet.

Samenkapsel mit den staubfeinen Samen von Cypripedium calceolus.

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Nord- über Mittel- bis Ost-Europa, über Asien bis Japan, wobei der Gelbe Frauenschuh die einzige natürlich in Deutschland vorkommende Frauenschuhart ist. Bevorzugt wächst er vereinzelt in schattigen Laubwäldern (wie etwa Buchenwälder) oder an buschigen Berghängen bis zu Höhenlagen von 2000 m. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Cypripedium calceolus um eine gefährdete Orchidee. Daher ist diese Art auch nach der Bundesartenschutzverordnung streng geschützt. Cypripedium calceolus fällt unter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Anhang II und steht damit unter besonderem Schutz der Europäischen Union. Hieraus ergibt sich für Deutschland für den Erhalt der Art eine besondere Verantwortung und eine Berichtspflicht gegenüber der EU. Als ursächlich für die Gefährdung wird vor allem die weitreichende Forstwirtschaft gesehen, die eine natürliche Waldentwicklung und -dynamik kaum zulässt.

Auch Fototourismus trägt zu einem Rückgang der Art bei, da der Boden sich durch häufiges Betreten verdichtet und dadurch neuen Exemplaren eine Ansiedlung erschwert wird. Auch Pflanzenliebhaber, die den Frauenschuh ausgraben, um ihn in ihrem eigenen Garten einzupflanzen, tragen wesentlich zum Rückgang der verbliebenen Vorkommen bei. Nicht einmal Botaniker wissen genau, welche Standortfaktoren zu einem geeigneten Frauenschuh-Biotop gehören. Die Umstellung auf das Kleinklima eines Gartens verkraften die Pflanzen gewöhnlich nicht und sterben frühzeitig ab. An zu schattigen Standorten bildet der Frauenschuh meist nur Blätter aus und verschwindet nach einiger Zeit ganz. In meiner Laufbahn hatte ich bereits mehrfach die Gelegenheit, Strolche mit einem Frauenschuhexemplar im Rucksack zu stellen.