Stefanie Weigelmeier

von Stefanie Weigelmeier. –

Unsere Landschaft ist nur eine leere Kulisse!

Das ist der Satz der aus der arte-Dokumentation über Rewilding bei mir nachhallt.
Auch Tage später noch höre ich diese Worte, wenn ich draußen unterwegs bin.

Rewilding

Unter dem Begriff Rewilding ist die Idee zu verstehen, Naturgebiete zu renaturieren, indem die Großsäugetiere wieder eingeführt werden. Durch deren Einfluß so die Theorie (und mittlerweile auch durch erste Erfahrungen bestätigt) würde sich früher oder später wieder ein harmonischeres Gleichgewicht einstellen. (Wie lange dies dauert ist meiner Einschätzung nach sicherlich davon abhängig, wie stark und wie lang das entsprechende Gebiet bereits anthropogen überformt ist.)

Die Doku nennt für Mitteleuropa drei größere Landschaften: Knepp (mit 3,5 ha in Südengland, West Sussex), Oostvaarderplassen (mit 5.600 ha in Flevoland, Niederlande) und Faia Brava (mit 800 ha in Portugal).

In den Niederlanden heißen diese Gebiete auch „Naturentwicklungsgebiete“, der Mensch wird hier nicht ausgeschlossen, aber es gibt auch kein Management (im Sinne eines NSGs), der anthropogene Einfluß ist stark zurückgefahren.

Ich finde diese Gedanken spannend, insbesondere in Anbetracht der Wiederausbreitung zweier anderer Landschaftsgestalter: Castor fiber und Lupus lupus – Biber und Wolf – Meister Bockert und Isegrimm.

Auch hierzu äußert die Doku einen Gedanken: das was aus dem Yellowstone-Park bekannt ist, nämlich, dass Wolf und Biber zu einer großflächigen Veränderung der Landschaft geführt haben, wird bei uns wohl so leider nicht kommen. Dazu ist der Einfluß des Menschen auf die Landschaft zu groß und zu persistent. Flüsse und Bäche sind auf langen Strecken kanalisiert, eine Veränderung des Wasserlaufs ist oft schwer vorstellbar, befindet sich jenseits des möglichen und „erlaubbaren“. Nur in kleinen Gebieten können wir es „zulassen“, dass Biber unkontrollierte Überschwemmungszonen anlegen und so ein zeitliches und räumliches Mosaik entsteht – Unordnung, im besten Sinne.
Das Wild verhält sich aufmerksamer, äst weniger, auch dies wird den Wald verändern.

Amerikanischer Biber (c) Steve, wikicommons

Amerikanischer Biber (c) Steve, wikicommons

Fragmentierung

Aurora Torres et al. haben 2016 die Fragmentierung Europas und die Auswirkungen auf Großsäuger untersucht. Dazu haben sie das komplette Straßen- und Schienennetz erfasst und dann die Entfernung zum Verkehrsnetz von jedem beliebigen Ort aus bestimmt. Die Zahlen schockieren mich: ¼ des Landgebiets von Europa befindet sich nur 500m (!!!) von der nächsten Straße entfernt; die Hälfte des Kontinents liegt 1,5km entfernt, fast der gesamte Kontinent liegt unter 9km entfernt. Es gibt also fast keine abgelegenen Gebiete mehr. (Was heißt hier noch „abgelegen“?)

Die Landschaft – eine leere Kulisse

Wir Heutigen sind es schlichtweg nicht gewohnt, dass große Säugetiere in höherer Abundanz durch unsere Landschaften spazieren (und möglicherweise sogar ihren ganz eigenen Plan verfolgen). Die Freude über zwei Rehe oder gar einen einzelnen Hasen auf einer Wanderung ist stets groß, der Safari-Tourismus bedient genau diese Begeisterung, große Tiere, am besten in Herden in Bewegung zu erleben.
Mitteleuropa jedoch ist weitgehen leer. Leer von Tieren und ohne deren Mitgestaltung an der Landschaft. Die Landschaft ist weitgehend gestaltet, ge- und überformt durch uns: durch Land- und Forstwirtschaft, durch unser Verkehrswegenetz und die Energieversorgung, durch Siedlungsgebiete und Hochwasserschutz.

Was prägt die Kulisse vor Deiner Haustür?